Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wenn das Aktmodell zur Vernissage kommt
Kunst Junge Frau arbeitet seit 15 Jahren für die Kunst. Auch für Körperstudien, die jetzt von vier heimischen Künstlern in der städtischen Galerie Wertingen gezeigt werden
Nur am Rande ist eine interessante Begebenheit zu erfahren: Unter die rund 200 Besucher hat sich am gestrigen Sonntag auch ein Aktmodell gemischt: Petra Hegele aus Augsburg. Die junge Frau erkennt sich auf einigen der ausgestellten 89 Werke wieder. Denn sie arbeitet als Aktmodell. Die Arbeit bereite ihr große Freude, sagte sie gegenüber unserer Zeitung. „Ich mache das seit 15 Jahren.“Dafür habe sie sogar ihre Stunden in einer Gärtnerei drastisch reduziert, denn die Nachfrage sei groß. In Dillingen stand sie ebenfalls schon einmal für einen Vhs- Aktzeichenkurs zur Verfügung.
Den Körper genau zu studieren und in wenigen Strichen aufs Papier zu bringen, zähle zu den Grundlagen des Handwerks eines Künstlers. Der Bildhauer Hans Malzer flocht in seine launige Rede eine Reihe von Anekdoten, Gedichten und berühmten Sprüchen. So zitierte er zum Beispiel Albrecht Dürer und sprach damit den vier ausstellenden Künstlern ein besonderes Lob aus: „Die Kunst steckt in der Natur, und wer sie daraus kann entreißen, der hat sie.“Der Künstler müsse „inwendig voller Figur sein“.
Sich nach Jahrzehnten immer noch zu Körperstudien zu treffen, zeige, dass die Wahrnehmung geschult und das Sehen ein Leben lang gelernt werden muss. Malzer: „Und das ausdauernd, hartnäckig, nicht mal zwischendurch oder ein bisschen.“
Oskar Dietrich attestierte der Bildhauer eine große Spannweite seiner Arbeiten, gekennzeichnet durch zarte Linien bis hin zu wuchtigen Flächen und Farben. Die Bilder seien kein Abklatsch der Realität, sondern trügen einen inneren Schatz. Schon C. D. Friedrich soll seinerzeit festgestellt haben: „Der Künstler soll nicht malen, was er vor sich sieht, sondern was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, dann unterlasse er das Malen ganz.“
Mit Wilhelm Eger trete ein unerbittlicher und unermüdlicher Künstler zutage. Neben kraftvollen Aktzeichnungen beschäftigt sich der Neusässer mit Eisaquarellen, deren Strukturen erst in eiskalter Umgebung entstehen. Bei Minusgraden malt der 1932 in Böhmen geborene Künstler zum Beispiel an der Schmutter, solange es seine Konstitution zulässt.
In der Kälte gefriert das Wasser, und die Farbpigmente ordnen sich in bizarren Strukturen an. Zahlreiche Preise erhielt Wilhelm Eger, darunter den Kunstpreis der Stadt Neusäß und der Stadt Donauwörth, den Kunstpreis des Bezirks Schwaben und den Magnus-Remy-Kunstpreis.
Obwohl Georg Kleber aus Rehling in der Vergangenheit Bücher zu künstlerischem Aktzeichnen veröffentlichte – „Von der Grundskizze zum fertigen Bild“– findet sich in der Wertinger Ausstellung leider keine einzige seiner Aktdarstellungen. Dafür Kohlezeichnungen mit den Titeln „Gartenschere“, „Schaufel und Besen“, „Staubmaske“, „Amboss“. Im Paris des 19. Jahrhunderts hätte es Kleber damit wohl schwer gehabt, Fuß zu fassen, denn damals seien Salonmaler gefragt gewesen. Im 21. Jahrhundert spiele dagegen das „Was“keine Rolle mehr. „Alles ist wert, gezeichnet zu werden“, so Malzer. Das „Wie“sei wichtiger als das großartigste Thema. Der freischaffende Künstler, Lehrbeauftragte und mehrfache Preisträger zeige eine intensive Handschrift. In den kleinsten Dingen stecke Kraft und Energie. Vor allem gelinge es ihm, in der Komposition eine große Spannung zu erzeugen.
Die Arbeiten des Autodidakten Martin Ihle gleichen in der Linienführung mitunter dem berühmten Maler Egon Schiele.
Ihm gelinge es, dem Prinzip der Reduktion zu folgen und mit wenigen Pinselstrichen das Wesentliche herauszuarbeiten. „Wenn ein Maler einen Pudel malt, dann entsteht kein Kunstwerk, sondern ein zweiter Pudel“, ließ Malzer am Schluss Goethe sprechen. Garantiert finde sich in den 89 Werken kein „toter Strich und kein Füllsel“.
Begleitet wurden die einführenden Worte von ruhiger Jazzmusik der Gruppe Who ist Mr. Groove – Manuel Burkard am Piano, Alban Tröndle am Bass und Sebastian Schechinger am Schlagzeug. O
Die Werke unter dem Ti tel „Vor dem Motiv“sind bis zum 23. April 2017 in der städtischen Galerie, Schulstraße 10, ausgestellt.