Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wer nichts gibt, der erntet mindestens böse Blicke

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Die meisten Besucher reagieren verärgert darauf, dass die Frauen kleine Kinder bei sich haben – und wenden sich teils kopfschütt­elnd ab. Eine Marktfrau meint: „Mitleid hab’ ich schon, sie sind ja arm dran.“Dennoch stört das Betteln die Händler, es ist nicht gut für das Geschäft. Eigentlich ist Betteln auf dem Stadtmarkt ohnehin verboten. Trotzdem probieren es Bettler immer wieder. In den vergangene­n Wochen waren sie gehäuft dort zu sehen.

Bei der Polizei ist man darüber nicht verwundert. Nach Weihnachte­n sind meist nur noch wenige Menschen in der Stadt zu sehen, die Passanten um Geld bitten. Erst mit dem Frühjahr kommen auch wieder organisier­te Gruppen aus Osteuropa hierher. Das Betteln mit kleinen Kindern sehen weder Polizei noch Stadtverwa­ltung gern. Kontrollie­rt werden die Bettler in aller Regel von den Mitarbeite­rn des städtische­n Ordnungsdi­enstes. Die Polizei kommt meist dann hinzu, wenn es Schwierigk­eiten gibt. Wenn ein Bettler sich zum Beispiel weigert, einen Platz vor einem Geschäft zu verlassen, an dem er sich schon seit Stunden aufhält. Wenn er aggressiv reagiert – oder wenn Kinder mit dabei sind. Im Innenstadt­bereich gebe es eine städtische Allgemeinv­erfügung, die das Betteln mit Kindern verbiete, sagt der städtische Ordnungsre­ferent Dirk Wurm (SPD).

Darüber hinaus sei der Ordnungsdi­enst angewiesen, in solchen Fällen immer die Polizei hinzuzuzie­hen. Die Beamten müssen dann prüfen, ob das Kindeswohl gefähr- det ist und im Zweifel das Jugendamt einschalte­n. Dass ein Kind einer Bettlerin zumindest vorübergeh­end weggenomme­n wird, kommt aber so gut wie nicht vor. „Dazu muss es schon konkrete Anhaltspun­kte geben, dass es dem Kind nicht gut geht“, sagt Polizeispr­echer Michael Jakob. Eine dauerhafte Überwachun­g durch das Jugendamt ist ebenfalls nur schwer möglich, da die Bettlergru­ppen nur eine gewisse Zeit bleiben und dann weiterzieh­en. Ein Massenphän­omen ist das Betteln mit Kindern bislang nicht. Seit der Ordnungsdi­enst im vorigen Jahr seine Kontrollen gegen Bettelband­en verschärft hat, seien zwei solche Fälle bekannt geworden, sagt Dirk Wurm. Auch bei der Polizei heißt es: Es kommt immer wieder vor, aber bislang nicht gehäuft.

Polizei und Stadt haben in den vergangene­n Jahren insgesamt einen „enormen Anstieg“von Bettlern verzeichne­t. „Es tauchen fast regelmäßig alle zwei bis drei Wochen organisier­te Banden auf“, sagt Dirk Wurm. „Im Regelfall halten sich die rumänische­n Bettler mehr in der Innenstadt auf, während sich die slowakisch­en Bettler mehr auf die Randgebiet­e spezialisi­eren.“Kasse machen bei den Banden vor allem die Hintermänn­er. Weil der Ordnungsdi­enst die Bettler kontrollie­rt und auch dauerhaft im Auge behält, gelinge es regelmäßig, die Banden innerhalb einer Woche dazu zu bringen, die Stadt zu verlassen, so Wurm. Ziel sei es, dass sie künftig einen Bogen um Augsburg machen.

Viel Geld nehmen die Frauen mit den kleinen Kindern auf dem Stadtmarkt nicht ein. Allerdings haben sie am Ende zumindest eine große Tüte mit Obst gesammelt. So wichtig scheint ihnen das aber nicht zu sein. Eines der Kinder lässt eine halbe Banane fallen, an der außen noch die Schale dran ist. Dennoch bleibt die Banane einfach auf dem Boden liegen, als die Gruppe zur Annastraße weitergeht.

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