Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bücher aus der Telefonzel­le

In Adelsried gibt es jetzt zwei Bücherschr­änke, in denen sich jeder bedienen kann. Die Gemeinde hat sie in alten Telekom-Häuschen eingericht­et. Wo sie stehen und wie man mitmachen kann

- VON MANUELA BAUER

Telefonzel­len verschwind­en immer mehr aus dem Ortsbild. Weil eigentlich fast jeder ein Handy hat, sind die Fernsprech­er überflüssi­g geworden. An immer mehr Stellen baut die Telekom deshalb die grau-magentafar­benen Häuschen ab. In Adelsried sind dagegen vor Kurzem zwei neue aufgestell­t worden. Allerdings nicht zum Telefonier­en, sondern zum Lesen.

Die Telefonzel­len stehen als „Bücherinse­ln“an Bauhof gegenüber vom Bahnhäusle und im Höllweg an der Araltankst­elle. Drinnen stehen Dutzende Bücher für Kinder und Erwachsene. Jeder darf sie ausleihen, lesen und wieder hineinstel­len.

Die Idee dazu hatte Bürgermeis­terin Erna Stegherr-Haußmann. Vor vielen Jahren sollte im Untergesch­oss des Rathauses eine Bücherei eingericht­et werden, doch dann wurden die Räume für andere Dinge gebraucht, erzählt sie. Zurzeit sind dort die Krabbelgru­ppe und die Volkshochs­chule. Bei einem Flohmarkt hatte die Gemeinde aber schon Bücher gesammelt. Die lagerten nun lange im Keller des Rathauses. Vor vier Jahren wollte die Bürgermeis­terin eigentlich einen Bücherzug auf der ehemaligen Weldenbahn­trasse einrichten. Doch der Gemeindera­t war nicht ganz so begeistert wie sie, erzählt StegherrHa­ußmann. „Ich trauere der Idee immer noch nach.“

Jetzt hat sie für die Bücher einen anderen ungewöhnli­chen Ort gefunden: die Telefonzel­len. Die Gemeinde hat sie in dem riesigen Telefonzel­lenlager bei Potsdam gekauft (siehe Infokasten) und nach Adelsried transporti­eren lassen. Dort haben die Bauhof-Mitarbeite­r Regale hineingeba­ut und sie an den zwei gut frequentie­rten Stellen im Ort aufgestell­t. Stegherr-Haußmann hat die Telefonzel­len erst mal zur Hälfte gefüllt, um auszuprobi­eren, wie das Angebot ankommt. Dass sie unverschlo­ssen im öffentlich­en Raum stehen und so womöglich auch Randa- lierer anziehen könnten, ist der Bürgermeis­terin bewusst. Sie betont aber: „Man muss auch Vertrauen in seine Bürger haben.“

Bücherschr­änke gibt es zum Beispiel auch im Augsburger Hofgarten und in der Volkshochs­chule Emersacker, wenn auch mit etwas anderem Konzept. Der Hofgarten am Dom ist nachts und im Winter geschlosse­n, der Bücherschr­ank in Emersacker ist nur zu den Vhs-Öffnungsze­iten erreichbar. In den Adelsriede­r Telefonzel­len stehen die Werke dagegen geschützt vor Wind und Regen und sind rund um die Uhr zugänglich. In den Regalen finden sich ganz unterschie­dliche Bücher, dicke und dünne, lustige und spannende, für Kinder und Erwachsene. Es sollte also für jeden etwas dabei sein. „Jeder darf sich ein Buch rausnehmen und gerne auch eigene reinstelle­n“, erklärt StegherrHa­ußmann. Nur ein paar Voraussetz­ungen gibt es: Die Bücher aus der Telefonzel­le darf man nicht weiterverk­aufen. Und man darf keine mit politische­n, religiösen oder anstößigen Inhalten hineinstel­len. Die Bürgermeis­terin schaut alle zwei, drei Tage, ob in den Bücherinse­ln noch alles in Ordnung ist. Dabei hat sie festgestel­lt, dass das Angebot schon genutzt wird: „Die ganz guten Bücher fehlen schon“, erzählt sie erfreut.

Einige Schmöker sind aus ihrer eigenen Sammlung. Mittlerwei­le liest Erna Stegherr-Haußmann fast nur noch E-Books. „Jetzt kaufe ich mir vielleicht wieder lieber echte Bücher, wenn ich weiß, dass ich sie nicht zuhause lagern muss“, meint sie. In den Bücherschr­änken könnten danach noch andere Freude daran haben. Denn eins ist für Erna Stegherr-Haußmann klar: „Es zerreißt mir das Herz, wenn ich ein Buch wegwerfen soll.“

Eine Konkurrenz zur örtlichen Bücherei sollen die Telefonzel­len übrigens nicht sein. Im „Bücherwurm“gibt es natürlich eine größere Auswahl – und die aktuellere­n Ausgaben.

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Foto: Marcus Merk In ehemaligen Telefonzel­len können sich Leseratten in Adelsried Bücher ausleihen. Die Idee dazu hatte Bürgermeis­terin Erna Stegherr Haußmann.

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