Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bücher aus der Telefonzelle
In Adelsried gibt es jetzt zwei Bücherschränke, in denen sich jeder bedienen kann. Die Gemeinde hat sie in alten Telekom-Häuschen eingerichtet. Wo sie stehen und wie man mitmachen kann
Telefonzellen verschwinden immer mehr aus dem Ortsbild. Weil eigentlich fast jeder ein Handy hat, sind die Fernsprecher überflüssig geworden. An immer mehr Stellen baut die Telekom deshalb die grau-magentafarbenen Häuschen ab. In Adelsried sind dagegen vor Kurzem zwei neue aufgestellt worden. Allerdings nicht zum Telefonieren, sondern zum Lesen.
Die Telefonzellen stehen als „Bücherinseln“an Bauhof gegenüber vom Bahnhäusle und im Höllweg an der Araltankstelle. Drinnen stehen Dutzende Bücher für Kinder und Erwachsene. Jeder darf sie ausleihen, lesen und wieder hineinstellen.
Die Idee dazu hatte Bürgermeisterin Erna Stegherr-Haußmann. Vor vielen Jahren sollte im Untergeschoss des Rathauses eine Bücherei eingerichtet werden, doch dann wurden die Räume für andere Dinge gebraucht, erzählt sie. Zurzeit sind dort die Krabbelgruppe und die Volkshochschule. Bei einem Flohmarkt hatte die Gemeinde aber schon Bücher gesammelt. Die lagerten nun lange im Keller des Rathauses. Vor vier Jahren wollte die Bürgermeisterin eigentlich einen Bücherzug auf der ehemaligen Weldenbahntrasse einrichten. Doch der Gemeinderat war nicht ganz so begeistert wie sie, erzählt StegherrHaußmann. „Ich trauere der Idee immer noch nach.“
Jetzt hat sie für die Bücher einen anderen ungewöhnlichen Ort gefunden: die Telefonzellen. Die Gemeinde hat sie in dem riesigen Telefonzellenlager bei Potsdam gekauft (siehe Infokasten) und nach Adelsried transportieren lassen. Dort haben die Bauhof-Mitarbeiter Regale hineingebaut und sie an den zwei gut frequentierten Stellen im Ort aufgestellt. Stegherr-Haußmann hat die Telefonzellen erst mal zur Hälfte gefüllt, um auszuprobieren, wie das Angebot ankommt. Dass sie unverschlossen im öffentlichen Raum stehen und so womöglich auch Randa- lierer anziehen könnten, ist der Bürgermeisterin bewusst. Sie betont aber: „Man muss auch Vertrauen in seine Bürger haben.“
Bücherschränke gibt es zum Beispiel auch im Augsburger Hofgarten und in der Volkshochschule Emersacker, wenn auch mit etwas anderem Konzept. Der Hofgarten am Dom ist nachts und im Winter geschlossen, der Bücherschrank in Emersacker ist nur zu den Vhs-Öffnungszeiten erreichbar. In den Adelsrieder Telefonzellen stehen die Werke dagegen geschützt vor Wind und Regen und sind rund um die Uhr zugänglich. In den Regalen finden sich ganz unterschiedliche Bücher, dicke und dünne, lustige und spannende, für Kinder und Erwachsene. Es sollte also für jeden etwas dabei sein. „Jeder darf sich ein Buch rausnehmen und gerne auch eigene reinstellen“, erklärt StegherrHaußmann. Nur ein paar Voraussetzungen gibt es: Die Bücher aus der Telefonzelle darf man nicht weiterverkaufen. Und man darf keine mit politischen, religiösen oder anstößigen Inhalten hineinstellen. Die Bürgermeisterin schaut alle zwei, drei Tage, ob in den Bücherinseln noch alles in Ordnung ist. Dabei hat sie festgestellt, dass das Angebot schon genutzt wird: „Die ganz guten Bücher fehlen schon“, erzählt sie erfreut.
Einige Schmöker sind aus ihrer eigenen Sammlung. Mittlerweile liest Erna Stegherr-Haußmann fast nur noch E-Books. „Jetzt kaufe ich mir vielleicht wieder lieber echte Bücher, wenn ich weiß, dass ich sie nicht zuhause lagern muss“, meint sie. In den Bücherschränken könnten danach noch andere Freude daran haben. Denn eins ist für Erna Stegherr-Haußmann klar: „Es zerreißt mir das Herz, wenn ich ein Buch wegwerfen soll.“
Eine Konkurrenz zur örtlichen Bücherei sollen die Telefonzellen übrigens nicht sein. Im „Bücherwurm“gibt es natürlich eine größere Auswahl – und die aktuelleren Ausgaben.