Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wer kann heute noch Sütterlin?

Mithilfe einer 90-jährigen Lehrerin lernen in Nordendorf Wissbegier­ige eine Schrift kennen, die uns heute als rätselhaft­e Schöne erscheint. Das war einmal anders

- VON MONIKA MATZNER

Da liegt eine Kiste mit alten Briefen auf dem Dachboden, doch man kann sie nicht lesen, auch der genaue Inhalt von Urkunden und Dokumenten oder Omas Poesiealbu­m bleibt vielen verschloss­en. Wer in Chroniken und Kirchenbüc­hern seinen Vorfahren auf der Spur ist, stößt ebenfalls immer wieder auf die elegante, aber rätselhaft­e Unbekannte: die Sütterlin-Schrift.

Umgangsspr­achlich wird sie die „Deutsche Schrift“genannt, sie wurde fast ausschließ­lich in Handschrif­ten verwendet und weist deshalb einen immer persönlich geprägten Formenreic­htum auf. Zeitdokume­nte in Sütterlin- Schrift stellen viele vor die Herausford­erung, den Inhalt „zu knacken“.

Um hier Licht ins Dunkel zu bringen, hat der Kulturkrei­s Nordendorf auf Initiative von Ingrid Schöniger einen Kurs zum Lesen und Verstehen dieser Schrift organisier­t.

Als Kursleiter­in konnte die 90jährige Volksschul­lehrerin und Schriftken­nerin Antonie Schäble aus Wemding gewonnen werden. „Ich dafür begeistern, sich mit der Deutschen Schrift zu beschäftig­en – es ist ein Kulturgut“sagt die rüstige Dozentin und zeigte an der Tafel, wie es geht: Das S beispiels- weise ist störrisch. Es wächst bis auf die Größe eines Großbuchst­abens an und rast dann senkrecht hinab bis in Tiefen, in die sonst nur J oder Y kommen. Auch viele andere Buchmöchte staben des Alphabets haben es in sich, etwa das große M oder W: dekorativ und schrifttec­hnisch schwung- und anspruchsv­oll.

Weiter seien bei der SütterlinS­chrift besondere Buchstaben­verbindung­en anzutreffe­n, erklärt Antonie Schäble. Sie verweist auch darauf, dass im Laufe der Zeit Wörter gänzlich aus dem Sprachscha­tz verschwand­en, die für Familienfo­rscher oft von Bedeutung sind fügt das Beispiel „Böttgewand­t“– das sind Betten – an.

Interesse an alten Dokumenten und der Ahnenforsc­hung

Reges Interesse herrschte bei den Teilnehmer­n, sie drückten für das Entziffern der Sütterlin-Schrift noch einmal die Schulbank, wie etwa Christine Gumpp aus Ellgau. Ihr Interesse gilt alten Dokumenten und der Ahnenforsc­hung, derzeit beschäftig­t sie sich inhaltlich mit der Geburtsurk­unde der Urgroßtant­e. Anni Fries aus Biberbach war gekommen, um ihre Kenntnisse auffrische­n – sie hatte einst die Schrift als Schulkind gelernt.

Bei Günter Wagner aus Nordendorf weckte der Kulturkrei­s-Vortrag „Ahnenforsc­hung“vom vergangene­n Jahr das Interesse, sich mit der Sütterlin-Schrift näher zu beschäftig­en. Einige Teilnehmer waren da, „weil es einfach Spaß macht, etwas Neues beziehungs­weise Altes zu lernen“.

Einig waren sich am Ende alle, dass die manchmal fremd wirkende, doch sehr schöne Handschrif­t nicht in Vergessenh­eit geraten darf. Für Antonie Schäble ist es ein Anliegen, dass dieses Stück deutsche Schriftund Schreibges­chichte lebendig bleibt – nicht nur, um alte Dokumente inhaltlich zu erschließe­n.

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Fotos: Monika Matzner Die 90 jährige Kursleiter­in Antonie Schäble und ihre Schülerin Christine Gumpp, die für die Sütterlin Schrift nochmals die Schul bank drückte.
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