Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Kapitän außer Dienst
Geburtstag Auch mit 85 Jahren ist der gebürtige Landsberger Siegfried Rauch im Fernsehen zu sehen. Warum es die Traumschiff-Legende nicht stört, dass er dabei kaum zu Wort kommt
Siegfried Rauch kommt direkt vom Mittagsschlaf zum Gespräch. Der Mittagsschlaf, der sei das Wichtigste, daran habe sich auch sein Agent gewöhnen müssen. Zwei Tage hat der ihn mit Gesprächsterminen vollgepackt – und die Pause zum Glück bedacht. Rauch wird am Sonntag 85 Jahre alt und ist nicht nur deswegen ein umworbener Interviewpartner.
„Ich weiß gar nicht, warum ich so beliebt bin“, sagt Rauch. In „Der Bergdoktor“ist er noch regelmäßig im Fernsehen zu sehen. „Aber da sage ich kaum was.“Genau das habe ihm ein guter Freund schon vor langer Zeit geraten. „Lass die anderen reden und guck du nur“, sei die Devise gewesen. Steve McQueen, amerikanischer Schauspieler, Filmemacher und guter Freund Rauchs, habe ihm das immer empfohlen. Im Rennfahrerfilm „Le Mans“(1971) spielte Rauch an der Seite McQueens – und es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis der Bayer endlich ein Wort sagt. Beim Gespräch im Bauernhaus bei Murnau dagegen braucht Rauch keine Anlaufzeit. „Im deutschen Fernsehen wird heutzutage viel zu viel gequatscht“, sagt Rauch. Beim Film gehe es um Optik, nicht um Gequatsche. „Viele wollen immer alles erklären, was man doch eigentlich sieht. An der Körpersprache des Schauspielers muss man das schon sehen können.“Wer das nicht darstellen könne, sei kein Schauspieler, sondern ein „Quassler“.
Es sei Zufall, vielleicht auch Schicksal gewesen, dass er Schauspieler wurde. Sein Studium der Architektur in München wollte er abbrechen. „Aber das Essen in der Mensa war billig und gut, darauf wollte ich nicht verzichten“, sagt Rauch und muss auch Jahrzehnte danach noch über die Geschichte lachen.
Ein Bekannter habe ihm dann geraten, in die Theaterwissenschaften zu wechseln. „Da kannst du kommen, wann du willst“, habe der Bekannte gesagt. Rauch – ganz prag- matisch – wechselte erst in die Theaterwissenschaften, von dort zur Schauspielschule, dann zum Theater und letztlich in die Kinos und auf die Fernsehbildschirme. Dem deutschen Fernsehpublikum wurde er vor allem als Spion Thomas Lieven in der Familienserie „Es muss nicht immer Kaviar sein“(1977) bekannt.
Heute verbindet man Rauch vor allem mit dem „Traumschiff“, auf dem er von 1999 bis 2013 Kapitän war. Eine Rolle, die er „natürlich“angenommen habe. Ein Kapitän müsse etwas Väterliches haben, gleichzeitig Chef einer großen Crew sein, Reden halten und navigieren. Aus dem Väterlichen ist bei Rauch inzwischen etwas Großväterliches geworden – Ruhe und Gelassenheit kennzeichnen ihn auch vier Jahre nach dem „Traumschiff“noch. Das Leben fernab der städtischen Unruhe passt zu seinem Naturell, hier ist er seit 1973 sein eigener Chef. Seiner Karriere hat die Entfernung zur Stadt nicht geschadet. „Wenn ein Regisseur Sie will, dann holt er Sie auch aus Timbuktu.“
An Hunderten von Produktionen sei er beteiligt gewesen, schätzt er – und bleibt bei allem Selbstbewusstsein auch selbstkritisch: „Da war einiges Belangloses dabei, manches war einfach nichts.“
Doch Siegfried Rauch wirkt zufrieden mit dem, was das Leben für ihn in 85 Jahren bereitgehalten hat. Er hat sein Talent genutzt und alles weitere dem Schicksal und „irgendetwas zwischen Himmel und Erde, was wir nicht so ganz begreifen können“überlassen. Dann fügt er an: „Meine Mutter hat immer gesagt, das Leben geht sowieso seinen eigenen Weg, man kann nichts machen.“Fabian Nitschmann, dpa