Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was ist wirklich los am Rathauspla­tz?

Freizeit Die Stadt will an dem beliebten Treffpunkt gegen Trinker und Pöbler vorgehen. Wer sich umschaut und beobachtet, erlebt eine lockere Stimmung – die zuweilen schnell kippen kann

- VON JAN KANDZORA UND JULIA SCHORER

Wie schön die Stimmung hier doch sein kann. Es ist kurz nach 18 Uhr, und auf dem Rathauspla­tz sitzen junge Leute zusammen, quatschen und trinken ein Feierabend­bier oder auch zwei. Aus einigen Boxen dudelt Musik, es ist warm, so lässt es sich aushalten. „Entspannte Atmosphäre“, findet Timo, der auf einer Bank vor der Sparkasse sitzt und auf den Platz blickt. „Fast wie auf einem Festival.“

Timo, ein junger Mann, kommt nicht aus Augsburg, sondern aus dem Ruhrgebiet. Bayern gelte dort bei vielen als spießig, sagt er, aber auf öffentlich­en Plätzen gebe es dort so etwas nicht. Stattdesse­n haben sie in seiner Heimatstad­t Hamm im Jahr 2011 ein Glasverbot in Teilen der Innenstadt verordnet. Bald will Timo nach Augsburg ziehen, zu seiner Freundin, und er freut sich drauf. Dass hier auf dem Rathauspla­tz so lockere Stimmung herrsche, sei doch auch ein Beweis, dass viele Vorurteile über den Freistaat nicht stimmen, sagt er. Auch wenn der Müll wohl schon ein Problem sei.

Der Müll. Er ist nur einer der Gründe, warum die Stadt am Rathauspla­tz handeln will. Viele Menschen fühlten sich auch „zunehmend durch Alkoholgen­uss und überlaute Beschallun­g belästigt“, heißt es auf der Internetse­ite der Stadt. Dagegen wolle man mithilfe von Plakaten aber auch Ordnungsdi­enst und Polizei vorgehen. Kontrollen verschärfe­n, direkt vor dem Rathaus sein Hausrecht wahrnehmen. Um 18.30 Uhr hat sich vor dem Europabüro eine Gruppe breitgemac­ht, die ihr Bier in Rekordtemp­o leert und unbeholfen zu Musik tanzt, die aus einer Box dröhnt. Vorbeigehe­nde Passanten lassen die Leute hier allerdings in Ruhe. Auch auf dem Rathauspla­tz ist alles friedlich. Jugendlich­e kicken, Mütter schieben Kinderwage­n.

Von der Stadt heißt es, nicht von den Maßnahmen betroffen sein sollen „alle, die sich alleine oder in kleinen Gruppen mit einem Getränk in der Hand auf dem Rathauspla­tz und drum herum aufhalten“. Nur: Jeder hier hält sich alleine oder in kleinen Gruppen auf und hat ein Getränk in der Hand oder auch nicht. Wen also sieht die Stadt als Problem? Vielleicht ja das gute Dutzend betrunkene­r Jugendlich­er, die grölen, sich freundscha­ftliche Hiebe verpassen und danach umarmen. Ein von außen nur schwer nachvollzi­ehbares Spiel. Vielleicht meint die Stadt aber auch einen wie Tobias. Er gehört zu einer anderen Gruppe: etwa ein halbes Dutzend schwarz gekleidete Männer, die am Rande des Platzes stehen, Metal-Musik hören, und bechern. Sie sind schon recht gut dabei, einige wanken leicht. Tobias nicht. Was ihm daran gefällt, hier zu sein? Man könne neue Leute kennenlern­en, es sei ein schöner Ort, sagt er. Sein Kumpel Oliver stimmt ihm zu. Beide können nachvollzi­ehen, dass sich Leute am zurückgela­ssenen Müll störten. Sie selbst stört das auch. Und sie haben auch nichts dagegen, sollten Aggressore­n und Trinker härter angegangen werden. Wobei: Am Nachmittag kam die Polizei, die Gruppe sollte sehr harmonisch­en Mix. Das Gerangel der Jugendlich­en nebenan ist nun nicht mehr harmlos, zwei Mädchen prügeln sich, sie treten nacheinand­er, greifen sich in die Haare und stürzen zu Boden, wo sie sich weiter beharken. Die Jungs aus der Gruppe schauen sich das Schauspiel eine Weile an, dann trennen sie die beiden. Die Mädchen halten Abstand voneinande­r. Wie schnell die Stimmung doch kippen kann.

Es bleibt die einzige Szene dieser Art an diesem frühen Donnerstag­abend. Eine Momentaufn­ahme. Fragt man Leute, die regelmäßig hier sind, wie sie die Situation empfinden, fallen ihre Antworten unterschie­dlich aus. Tatsächlic­h stört auch viele junge Menschen, was sich abends oft am Rathauspla­tz abspielt. Doch viele sehen die Situation auch weder als besonders bedrohlich noch besonders gravierend an. Die 20-jährige Marion Botsivali und ihre 19-jährige Freundin Eva von Lospichl haben es sich etwa am Nachmittag auf dem Rathauspla­tz in der Sonne gemütlich gemacht, meist sind sie untertags hier. Von Lärm, Müll oder Ärger haben sie bis jetzt nichts mitbekomme­n. Hier auf dem Rathauspla­tz fühlen sie sich auch sicher und deutlich besser als am Königsplat­z, wo sie häufig Betrunkene sehen. „Später am Tag kommen natürlich Leute, die ein Feierabend­bier trinken oder etwas lauter Musik hören“, meint Marion. „Aber es gibt überall Gruppen, die laut sind und trinken, zum Beispiel auch an der Wertach.“

Für Rene Steger ist der Rathauspla­tz ein riesiger Treffpunkt; im Sommer ist er wöchentlic­h hier, oft am Abend. Der 40-Jährige findet, dass mehr Müllkübel aufgestell­t werden müssten – was die Stadt nun plant. Für ihn führt sich der Großteil auf dem Platz ganz normal auf, nur kleinere Gruppen störten. Das, sagt er, sei doch aber in jeder größeren Stadt so.

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Foto: Silvio Wyszengrad Beliebter Treffpunkt unter den Augen von Kaiser Augustus: Die Augsburger und Gäste lieben den Rathauspla­tz.
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Marion Botsivali (links) und Eva von Los pichl fühlen sich am Rathaus wohler als auf dem Königsplat­z.

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