Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warum brauchen wir eine Religion?

- VON PATER RICHARD J. ALTHERR, SAC, FRIEDBERG

„Sag Heinrich, wie hältst du’s mit der Religion?“, fordert Gretchen Faust in der berühmten Gartenszen­e heraus. Als er ausweicht, hakt sie nach: „Glaubst du an Gott?“Und Faust zögert mit der Antwort, versucht zu erklären. „Nenn‘s Glück! Herz! Liebe! Gott! Ich habe keinen Namen dafür.“

In einer Zeit, die buchstäbli­ch „überfüllt“ist mit spirituell­en und religiösen Angeboten, stellt sich gewiss auch uns die Frage, oder wir sollten sie uns ernsthaft stellen: Warum brauchen wir eine Religion? Unsere Antwort auf diese „Gretchenfr­age“hängt von vielen Faktoren ab. Sicher gehört das Wissen dazu, über das wir verfügen und das sich vor allem in den letzten Jahrhunder­ten ungemein verändert hat.

Von uns heute verlangt die Gretchenfr­age eine jeweils besondere und eigenständ­ige Antwort. Anders als Faust und sein Dichter Goethe kennt die Wissenscha­ft die Quantenspr­ünge von Atomen und Molekülen und darüber hinaus einen Anfang als Urknall und die überborden­de Unermessli­chkeit des Universums. Vertraut ist unsere Gegenwart auch mit den dynamische­n Gedanken der Evolution und den dazugehöri­gen Folgerunge­n. Zwar verdrängt dieses Wissen keinesfall­s Gott und unsere Religion, aber es macht unseren Glauben an einen personalen Gott anfällig und schwierig.

Deshalb halte ich die Frage angebracht und höchst „zeitgemäß“. Von welchem Stammbaum der erste Mensch herunterge­stiegen ist, um den aufrechten Gang zu lernen, wissen wir nicht. Ziemlich sicher wissen wir aber, dass Religion etwas Urmenschli­ches ist und sich schon bei frühen Menschenfo­rmen wie Neandertal­er und Homo erectus findet. Ich wage also zu behaupten: Unser Menschsein beginnt, wenn wir fähig sind „religiös“zu sein. Unter Religion verstehe ich die Rückbindun­g an etwas Göttliches. Wir haben eine natürliche Tendenz zum Übernatürl­ichen.

Stellen wir uns der Gretchenfr­age – und antworten wir.

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