Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Warum ein Palmbuschen in den Stall kommt
Brauchtum Derzeit werden die Buschen gebunden. Sie sollen später nicht weggeworfen werden
Im Pfarrsaal in Allmannshof herrscht reger Betrieb. Etwa ein Dutzend Helferinnen vom Katholischen Frauenbund sind versammelt und in bester Laune. „Heute werden die Palmbuschen für den Palmsonntag gebunden“, erklärt Helga Negele. „Das ist bei uns seit über 20 Jahren eine Tradition.“Die Frauen stehen oder sitzen an den Tischen und arbeiten im Akkord. Buchszweige und Palmkätzchen liegen in großer Menge bereit. 65 Buschen werden sie binden, jeder einzelne ist individuell und liebevoll arrangiert mit einem selbst gebastelten Kreuz in der Mitte.
Die Pfarrgemeinde profitiert von der Gemeinschaftsaktion des Frauenbundes. Am Palmsonntag werden die Gebinde gesegnet und von den Gläubigen mit nach Hause genommen – wo sie in Wohn- und Schlafzimmer, neben Kreuzbild und Weihwasserschale oder unter dem Dachfirst ihren Platz finden und Schutz und Segen bringen sollen.
Landauf, landab wird in den Pfarreien am Sonntag der Festtag mit Prozessionen und PalmbuschenSegnung gefeiert. Es ist nicht nur gelebtes Brauchtum und Tradition, sondern hat für die Christen eine besondere religiöse Bedeutung: Am Palmsonntag erinnert sich die Kirche an den Einzug Jesu in Jerusalem. Die Menschen feierten ihn als König und winkten ihm mit Palmzweigen zu. Palmen galten schon im Altertum als heilige Bäume. Da es hierzulande echte Palmen- und Ölbaumzweige meist nur in botanischen Gärten gibt, werden Alternativen verwendet.
Man bedient sich anderer grüner Zweige, wie zum Beispiel Buchsbaum, Wacholder, Ahorn, Stechpalme oder Birke. Uschi Pröll, Ortsbäuerin in Ostendorf, hat für den Palmsonntag gleich mehrere Gebinde hergestellt – bestehend aus einer Weide, Buchs, Palmkätzchen und Bast mit bunten Bändchen.
Die besondere Bindeform hat sie einst von einer Bauernfamilie aus dem Allgäu gelernt. Fähnchen, die ihre Enkel bastelten, gehören auch dazu. Ein Büschel komme alljährlich in den Stall, erklärt sie, das sei eine Tradition auf dem Hof, die sie vor 41 Jahren übernahm. „Zum Schutz für Mensch und Tier, für Haus und Hof“, berichtet die Bäuerin und fügt gleichzeitig hinzu, dass die Büschel des Vorjahres keinesfalls weggeworfen werden dürfen. „Alles was gesegnet ist, muß verbrannt werden“, so Uschi Pröll.
Auch die jüngere Generation wird vielerorts an das liturgische Brauchtum herangeführt. Für Kommunionkinder ist das Palmbüschelbinden ein weiterer Schritt bei der Vorbereitung zur Erstkommunion. In Ehingen etwa banden sie mit der Unterstützung von Katechetin Angelika Deininger und Silke Hirschbeck ihre Werke aus Buchszweigen und Palmkätzchen um ein Kreuz auf einem Holzstab – individuell verziert mit bunten Bändern. „Es soll die Kinder zum Miterleben der Passionszeit anregen“, erklärt Angelika Deininger.
Mit der Segnung am Palmsonntag ist aber das liturgische Brauchtum um die Palmbüschel noch nicht ausgeschöpft. In manchen Pfarreien wird aus den verbrannten Zweigen des Vorjahrs die Asche für den Aschermittwoch bereitet, die dann am Beginn der Fastenzeit den Menschen in Form eines Kreuzes auf die Stirn gezeichnet wird.