Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Jedes Buch ein Kosmos und ein Rätsel
So viel Altes Buch war selten zu sehen. Zur ersten großen Ausstellung von Augsburger Frühdrucken im Diözesanmuseum tritt nun die Präsentation des Museum of the Bible prominent im Rathaus sowie in den Kirchen St. Anna und St. Moritz. „Unser Buch“ist sie betitelt, und was das „uns“meint, lässt sich ganz verschieden auslegen. Der ökumenische Trägerkreis kennzeichnet damit die Bibel als den gemeinsamen Grund aller Christen, gleich welcher Konfession sie angehören. Rabbiner Henry Brandt sagte bei der Eröffnung am Donnerstagabend: „Ohne das Judentum wäre diese Ausstellung sehr amputiert gewesen.“Die amerikanischen Leihgeber beziehen in das „uns“sogar die Skeptiker ein, die kaum für möglich halten, dass Gott den Menschen ein Buch schenkt.
Sie (und alle anderen Besucher) sollen durch die Exponate zuverlässig erfahren, welche Geschichte sich seit 3000 Jahren mit dem „Buch der Bücher“verbindet. Allerdings handelt es sich bei Schriftstücken um stumme Zeitzeugen, die das, was sie zu sagen haben, nicht ohne Erklärung preisgeben. „Jedes Objekt bräuchte einen Vortrag für sich, um zu verstehen, was man sieht“, meinte Roland Werner, der Kurator von „Unser Buch“.
Manche Ausstellungsmacher sprechen deswegen abschätzig von „Flachware“und scheuen alles Beschriebene in den Vitrinen. Dabei vergessen sie freilich, dass schon das Textbild, die Illustrationen und die Machart eines Buchs insgesamt einen gewissen Schauwert darstellen. Die Worte sind wertvoll, die hier über die Zeiten festgehalten werden. Mögen sie auch rätselhaft sein oder gar unverständlich. Allemal sind es Früchte des Geistes, oft ganze Gedankenwelten.
Rabbiner Brandt verglich im Fall der Bibel ihre Verbreitung mit Samen, die aus einer überreifen Frucht herausgeschleudert werden. Geschriebene Worte entfalten Wirkung, sie regen zum Weiterdenken an, schließen Menschen zusammen. Jedes Buch ist echt ein Kosmos.
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„Intermezzo“ist unsere KulturKolumne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefallen ist.