Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Matula schnüffelt wieder herum

Interview Eigentlich war mit dem Ende von „Ein Fall für zwei“Sendeschlu­ss für den kultigen Privatdete­ktiv. Doch jetzt kehrt er nach drei Jahren Pause zurück. Claus Theo Gärtner hat der Figur viel zu verdanken. Er verfluchte sie aber auch

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Herr Gärtner, beinahe hätte ich Sie nicht erkannt. Warum verstecken Sie Ihr Gesicht unter einer Mütze? Claus Theo Gärtner: Ach, die setze ich immer auf, um nicht erkannt zu werden. Ich werde sonst ständig um ein Selfie gebeten.

Auch heute noch? Der „Matula“ist doch schon seit 2013 in Rente? Gärtner: Hören Sie mal, ich war 31 Jahre lang jeden Freitag auf dem Bildschirm, die Serie lief in 60 Ländern. Ich werde auch im Ausland noch angesproch­en. Im Iran kennt mich jeder Taxifahrer.

Warum war der Matula so beliebt? Gärtner: Er war der Antiheld, der immer auf die Mütze gekriegt hat. Mit dem konnten sich die Leute identifizi­eren. Die mochten sein Augenzwink­ern. Der hat sich selber nicht so ernst genommen.

Hat der Sie nach mehr als 30 Jahren nicht genervt?

Gärtner: Doch. Ich bin ja jeden Morgen zur Arbeit gefahren wie andere ins Glühlampen­werk Halle 7. Ich war diesen Termindruc­k leid. Ich wollte endlich mit meiner Frau im Wohnmobil durch Afrika fahren. Und bevor es mir danach langweilig werden konnte, hat das ZDF gefragt, ob ich nicht als Matula allein weitermach­en will.

Schon wieder Matula? Gärtner: Aber der neue Matula ist ja nicht mehr der alte Matula. Er ist älter geworden. Und ich glaube, der denkt auch anders.

Wie denn? Gärtner: Er muss sich zurück ins Leben kämpfen. Er hat als Detektiv

keine Rentenbeit­räge bezahlt. Er muss auch im Alter noch arbeiten.

Kommt Ihnen das bekannt vor?

Gärtner: Nein, ich bekomme eine gute Rente. Das verdanke ich Günter Strack, der den Dr. Renz in „Ein Fall für zwei“gespielt hat. Der hat 1981 gesagt: „Du musst in die Pensionska­sse des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks einzahlen.“Das ist eine Art Betriebsre­nte. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar. Von der gesetzlich­en Rente könnte ich nicht leben. Heute drehe ich aus Spaß, nicht wegen des Geldes.

Können Sie nicht ohne Matula oder kann Matula nicht ohne Sie? Gärtner: Der Matula ist mit mir verschmolz­en. Alles, was der hat, hat der von mir. Dreißig Prozent standen im Drehbuch, siebzig Prozent hab’ ich ihm mitgegeben. Matula ist meine Vorstellun­g von einem Detektiv.

Und wie stellen Sie sich den vor? Gärtner: So, wie Claus Theo Gärtner nicht ist. Der ist kein einsamer Wolf. Der ist kein Macho à la carte. Und er stellt auch nicht den Rotwein in den Kühlschran­k.

Er hat ein bisschen was von Columbo. Gärtner: Aber er ist nicht so hinterlist­ig wie Columbo. Den finde ich wirklich gut. In einer Folge habe ich den auch mal zitiert. Ich trage so einen ollen Columbo-Mantel, tue so, als würde ich gehen – und komm dann noch mal mit der entscheide­nden Frage zurück.

Der neue Matula muss jetzt nicht mehr cool sein um jeden Preis. Gärtner: Das hat durchaus etwas Be-

freiendes. Diese Detektivge­schichten sind doch sehr eindimensi­onal.

Aber als Matula ist es Ihnen gelungen, sich einen Freiraum zu erkämpfen. Er war der Star. Oder war das geplant? Gärtner: Nein, das hat sich so entwickelt.

Dabei wollten Sie die Rolle in „Ein Fall für zwei“1981 erst gar nicht haben. Warum eigentlich nicht?

Gärtner: Ich hatte gerade einen Streetwork­er in der TV-Serie „Die Straße“gespielt und war zurück an der Schaubühne in Berlin. Ich hätte mir Urlaub nehmen müssen, was am Theater nicht gerne gesehen wurde. Um den Produzente­n abzuwimmel­n, habe ich ihm einen Zettel geschriebe­n: „100 Folgen, okay.

CTG“. Der Rest der Geschichte ist bekannt.

Es wurden 300 Folgen.

Gärtner: Und nach der 100. Folge hat er mir den Zettel zurückgege­ben – eingerahmt.

Eine Serienhaup­trolle gilt als Sechser im Lotto. War das damals anders?

Gärtner: Ja, für Theatersch­auspieler war das Fernsehen verpönt. Als ich 1972 den Bundesfilm­preis als bester Nachwuchss­chauspiele­r gewann, hat das an der Schaubühne keiner zur Kenntnis genommen.

Inzwischen werden Sie mit dieser Rolle identifizi­ert. Fluch oder Segen?

Gärtner: Verflucht habe ich den Matula immer dann, wenn ich wegen ihm andere Rollen ablehnen musste. Wie gerne wäre ich mal mit dem „Traumschif­f“gefahren. Irgendwann bekam ich kaum noch andere Rollen angeboten. 2009 habe ich den Heiner Geißler in dem KohlFilm „Der Mann aus der Pfalz“gespielt. Hinterher las ich in einer Kritik: „Was macht Matula in der Pfalz?“In dem Moment war mir klar: Ich bin als Schauspiel­er verbrannt.

Hat Sie das tatsächlic­h überrascht?

Gärtner: Ja, wenn ich in der Schweiz bin, werde ich beim Bäcker immer als Herr Matula begrüßt. Bei Dreharbeit­en in Bratislava hat mich auch mal ein deutsches Ehepaar gefragt, ob ich ihm helfen könne, ihren gestohlene­n Wagen zu finden. Ich bin fast geplatzt vor Lachen. Aber diese Kritik hat mich doch schockiert.

Noch mehr als der „Oscar“, den Ihnen der Bundesverb­and Deutscher Detektive 1988 verliehen hat?

Gärtner: Absurd, oder? Das war so ein Teil, das konnte man auf jeder Kirmes schießen. Die haben mich aus PR-Gründen zum „Detektiv des Jahres“ernannt.

So sportlich wie Sie ist aber sonst bestimmt keiner. Haben Sie jeden Stunt selber gedreht?

Gärtner: Nicht alle. Ich saß nie in einem brennenden Auto. Einmal habe ich mich auf glatter Fahrbahn in Matulas Alfa Romeo überschlag­en. Gott sei dank ist mir nichts passiert. Überhaupt habe ich außer blauen Flecken nie was abbekommen, auch nicht, wenn ich Autorennen gefahren bin. Ich bin ein Glückspilz.

Jetzt ermittelt der neue Matula in einem Seniorenhe­im. Gestern noch Action, jetzt schon kurz vor dem Pflegefall. Gärtner: Nee, nee. Der will noch nicht ins Heim. Der will nur jemanden vernehmen. Die Komik ist beabsichti­gt. Matula wird gefragt, ob er schon für sich selber gucke. Und er reagiert beleidigt.

Haben Sie noch nicht über Ihren Lebensaben­d nachgedach­t?

Gärtner: Also, hören Sie mal! Wenn man eine 95-jährige Mutter hat, die gerade eine Herz-OP hinter sich hat, macht man sich schon Gedanken. Allerdings mehr um sie als um mich. Ich habe mir zwar schon eine Patientenv­erfügung herunterge­laden, aber noch nicht ausgefüllt.

In der ersten Szene liegen Sie im Watt. Man denkt, Matula ist tot.

Gärtner: Ja, so verletzlic­h hat man den noch nicht gesehen.

Fiel es Ihnen schwer, das zu drehen?

Gärtner: Nö. Viel schwerer war es, meine Kollegin Ulrike Krumbiegel aus einem Strömungsk­anal zu ziehen. Beim Rausheben hat’s „knack“in meinem Rücken gemacht. Das ist der Tribut an das Alter. Vielleicht habe ich mich aber auch nur doof angestellt. Interview: Antje Hildebrand­t O

TV Tipp Das ZDF zeigt „Matula“am Karfreitag, 14. April, um 21.15 Uhr. Claus Theo Gärtner wird am 19. April 74 Jahre alt. Der in Berlin geborene Sohn eines Kaufmanns und einer Ballettmei­ste rin ist in dritter Ehe mit einer Schweize rin verheirate­t. Er wohnt in Basel und Ber lin. Gärtner ist leidenscha­ftlicher Mo torsportle­r – für Mercedes Benz war er zeitweise Werksfahre­r.

„Wenn ich in der Schweiz bin, werde ich beim Bäcker als Herr Matula begrüßt.“ Claus Theo Gärtner

 ?? Foto: Georges Pauly, ZDF ?? Reif fürs Heim? Nein, Josef Matula (Claus Theo Gärtner) ist in geheimer Mission unterwegs – und ermittelt in einer Seniorenre­sidenz in Norddeutsc­hland. Eine Bekannte seines Auftraggeb­ers, die dort wohnte, fühlte sich bedroht. Als Matula jedoch dort...
Foto: Georges Pauly, ZDF Reif fürs Heim? Nein, Josef Matula (Claus Theo Gärtner) ist in geheimer Mission unterwegs – und ermittelt in einer Seniorenre­sidenz in Norddeutsc­hland. Eine Bekannte seines Auftraggeb­ers, die dort wohnte, fühlte sich bedroht. Als Matula jedoch dort...

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