Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Grabräuber“der besonderen Art

Kirche Wie es dazu kam, dass eine Gruppe von Helfern beim Aufräumen auf dem Dachboden der Pfarrkirch­e von Affaltern das Heilige Grab fand und zu einem Projekt erklärte

- VON FRIEDRICH WIBLISHAUS­ER

Biberbach Affaltern Im Mai vor zehn Jahren machten die Helfer bei der Räumung des Dachbodens der Pfarrkirch­e St. Sebastian in Affaltern eine echte Entdeckung: Sie fanden das Heilige Grab, das dort über 50 Jahre lang eingelager­t gewesen war und das die meisten wohl für verscholle­n hielten. Allerdings befanden sich die Teile in einem nicht aufstellba­ren Zustand. Nach über fünfzigjäh­rigem Abbruch der frommen Tradition ist heuer in der Karwoche erstmals das Heilige Grab fast vollständi­g wieder aufgebaut. Lediglich die beiden Grabwächte­r sind unwiederbr­inglich zerstört.

Ältere Pfarreimit­glieder wie Matthias Miller erinnern sich daran, dass das Heilige Grab das letzte Mal in der Karwoche im Jahre 1951 aufgebaut war. Wohl auf Geheiß des damaligen Ortspfarre­rs Dekan Johann Brümmer wurde danach darauf verzichtet. Ob aus liturgisch­en Gründen oder wegen des zeitlichen Aufwands, vermag heute niemand mehr zu sagen. Die bemalten Holztafeln wanderten auf den Dachboden der Pfarrkirch­e und gerieten in Vergessenh­eit. Ein letztes Mal tauchten in den Sechzigerj­ahren die zwei Figuren, die das Heilige Grab bewachten, auf. Schreinerm­eister Otto Klaus erinnert sich daran, dass Dekan Brümmer einigen jungen Burschen erlaubt habe, mit diesen beiden Wächterfig­uren am damaligen Schuttplat­z ein Feuer zu machen. Nicht nur in Affaltern, sondern auch in vielen anderen Kirchen wurden die Heiligen Gräber in den 50er- und 60er-Jahren nicht mehr aufgestell­t.

In den Jahren davor war es Tradition, dass Otto Klaus’ Vater, Schreinerm­eister Sebastian Klaus, nach der Morgenmess­e und Entblößung der Altäre am Gründonner­stag mit dem Aufbau des Heiligen Grabes Zusammen mit seinen Helfern, „Kirchensch­reiner“Josef Lindenmayr, Leonhard Eser und Friedrich Wiblishaus­er, brauchte er dafür einen Tag. Die einzelnen Grabteile seien mit einem Rad vom Dachboden der Pfarrkirch­e am Gründonner­stag herabgelas­sen worden. Dann wurden sie im Mittelgang aufgestell­t, sortiert und anschließe­nd an den vorgesehen­en Halterunge­n montiert. Die zwei Torbögen wurden mit Eisenstang­en an den jeweiligen Ösen links und rechts an den Wänden der Apsis eingehängt. Die Kirchenfen­ster verdunkelt­e man mit schwarzen Tüchern, und auf den Torbögen wurden farbig bemalte Glaslampen aufgestell­t, die von hinten elektrisch beleuchtet wurden. Es wird auch erzählt, dass die Gläser manchmal mit Wasser aus dem an der Pfarrkirch­e vorbeiflie­ßenden Biberbach aufgefüllt wurden, um die Farben noch schöner zum Leuchten zu bringen. Die Glaslampen wurden nun für den Wiederaufb­au neu beschafft.

Zum Auferstehu­ngsgottesd­ienst in der Osternacht musste das Heilige Grab abgebaut und wieder auf dem Dachboden verstaut sein. Das geschah immer am Karsamstag­nachmittag. Als man 2007 während der vollständi­gen Räumung des Kirchendac­hbodens das Heilige Grab wiederentd­eckte, war man sich schnell einig, dass man hier eine lobegann. kale Tradition gefunden hatte, die es wert war, wieder aufzuleben. Ein eifriger Unterstütz­er des Projekts war der damalige Ortspfarre­r Heribert Stiegler, der seine Kirchenver­waltung vom geistliche­n Wert dieses Funds überzeugte. So gewann er die zur Kirchenver­waltung gehörende Hobbykünst­lerin Annelies Lindenmayr, die sich an die Neubemalun­g der Palmenorna­mente des Heiligen Grabs wagte. Schnell war auch im Dorf ein Name für die Finder und Unterstütz­er des Projekts „Heiliges Grab“in Affaltern gefunden. Die Kirchenver­walter Richard Biele, Annelies Lindenmayr, Michael Koch und Christian Scherer sowie die weiteren Helfer Manfred Fiebig und Erwin Joachim werden seitdem „die Grabräuber“genannt, weil sie seit dem Gründonner­stag 2007 alljährlic­h die Palmenorna­mente für die Gründonner­stags- und Karfreitag­sliturgie im Altarraum aufgebaut und sozusagen dem Kirchendac­hboden entrissen haben. Auch künftig werden die jährlichen Aufsteller namentlich auf den Rückseiten der Holztafeln verewigt.

Erstmals haben nun dieses Jahr die Affalterne­r und alle anderen Interessie­rten Gelegenhei­t, das gesamte Heilige Grab in der Pfarrkirch­e Affaltern als Ensemble aufgebaut zu sehen. Denn die Kirche ist tagsüber immer zum Gebet geöffnet, aber alarmgesic­hert.

 ?? Foto: Friedrich Wiblishaus­er ?? Das Heilige Grab ist heuer erstmals seit Jahrzehnte­n wieder in der Pfarrkirch­e von Affaltern zu sehen. Es galt lange als verscholle­n.
Foto: Friedrich Wiblishaus­er Das Heilige Grab ist heuer erstmals seit Jahrzehnte­n wieder in der Pfarrkirch­e von Affaltern zu sehen. Es galt lange als verscholle­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany