Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wenn die neue Tasche spottbillig ist
Internet Immer mehr Bundesbürger bestellen direkt im Preisparadies China, trotz aller Fallstricke. Vielen wird erst zu spät bewusst: Der Kauf ist reines Glücksspiel
Endlich ist es da, das maßgeschneiderte Hochzeitskleid aus Henan, China. Zwölf Wochen hat Lisa Meier aus München auf ihren Traum aus Spitze gewartet. Lisa Meier heißt eigentlich anders, ihren wahren Namen will sie aber nicht in der Zeitung lesen. Es war knapp mit dem Schnäppchen, in drei Wochen wird sie heiraten. Aber der Tiefpreis von 106,99 Euro inklusive Versand war ihr das Risiko wert.
Wäre das Bestell-Abenteuer in Fernost schiefgegangen, hätte die 29-Jährige notgedrungen noch schnell ein gebrauchtes Outfit gekauft. Doch Lisa hat Glück: Die Robe der chinesischen Schneider sitzt. Nicht perfekt, aber okay. Bei der Stoffqualität drückt sie ein Auge zu. Die 2900 Euro für ihr Wunschkleid aus dem Brautmodeladen um die Ecke konnte sie sich nicht leisten. Wie Lisa gehen unzählige junge Leute momentan auf Schnäppchenjagd in Asien. Modeblogger, die mit ihren selbstgedrehten Videos Einkaufstrends beeinflussen, machen es schon seit Monaten vor.
Für die meisten Schnäppchenjäger zählt nur der Preis. Und der ist auf den ersten Blick heiß. Ob Textilien, Modeschmuck, Tierbedarf oder Technik – auf Internet-Handelsplattformen wie Ebay oder Amazon Marketplace wimmelt es nur so von Verlockungen: Sommerkleid: 6,61 Euro. Cocktailkleid für Abi-Ball: 18,21 Euro. SechsMeter-Markise für die Terrasse: 1077, 89 Euro. Die krummen Preise liegen daran, dass die Anbieter weltweit verkaufen, mal in Euro, Dollar oder Yen umrechnen.
Die Ware aus Fernost wird im Internet so günstig feil geboten, dass selbst ältere Verbraucher der Tiefpreis-Versuchung erliegen. Wie viele Bundesbürger bereits auf Shopping-Tour in Asien unterwegs sind, weiß niemand. Solche Zahlen werden nirgends erfasst, sagt Jens schlicht mit einem Reinfall. Da gibt es Kunden, die monatelang auf ihre Lieferung warten müssen. Schlimmstenfalls kommt gar nichts an. Ein andermal stoppt der Zoll die Sendung und verlangt happige Mehrkosten.
In der Regel bittet der Zoll zur Kasse, wenn der Gesamtwert über 22 Euro liegt. Die Einfuhr-Umsatzsteuer liegt bei 19 Prozent. Warenwert und Porto werden zusammengerechnet – auch wenn so mancher Shop-Betreiber vorgaukelt, ein Kleid für 21,99 Euro liege klar unter dieser Grenze und die Portokosten von 85 Euro fielen sowieso nicht ins Gewicht. Bei vielen Technik- und Modeprodukten wie MP3-Playern oder Ledersachen über 150 Euro wird zusätzlich ein Zollsatz fällig, je nach Warenart von 2,5 bis zu 17 Prozent.
„Wer billig kauft, der kauft am Ende doch teuer“, sagt Augustin. Selbst wenn die Sendung ohne Nachforderung ausgeliefert wird, ist ein Happy End nicht garantiert. Das Netz ist voll von Beschwerden enttäuschter Kunden, die zu kleine, nach Chemikalien riechende Kleider, Schuhe oder T-Shirts auspacken mussten. „Oft stimmt die Qualität einfach nicht“, berichtet Tryba. Firmen, die in China fertigen lassen, kontrollieren die Waren, bevor sie in deutsche Geschäfte kommen. Beim Direktimport von privat gibt es keine Checks.
Wer mit seinem Einkauf im Chiden na-Shop nicht glücklich ist, kämpft oft noch mit einem Zusatzproblem: Die Rückgabe ist zwar häufig theoretisch möglich, praktisch aber ein Unding. Das Porto für Retouren Richtung Ghenzhou oder Hongkong summiert sich schnell auf bis zu 43 Euro. Wer nur 106 Euro ausgegeben hat, wird eine missratene Lieferung dann lieber gleich wegwerfen.
Käuferschutz nach hierzulande geltenden Gesetzen ist höchstens dann gegeben, wenn Schnäppchenjäger über Portale wie Amazon oder