Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Junge Afghanen sollen ausreisen

Flüchtling­e Rund 180 unbegleite­te Minderjähr­ige leben im Landkreis. Zum ersten Mal sollen einige von ihnen das Land wieder verlassen. Darunter ist auch ein 15-Jähriger

- VON JANA TALLEVI

Kann es auch Akram treffen? Der 19-Jährige aus Afghanista­n ist als unbegleite­ter Minderjähr­iger vor zwei Jahren in den Landkreis gekommen. Diese Gruppe von Flüchtling­en genießt einen besonderen Schutz, doch zum ersten Mal haben einige von ihnen jetzt eine Aufforderu­ng zur Ausreise erhalten. Das hat die Leiterin des Amtes für Jugend und Familie, Christine Hagen, im Jugendhilf­eausschuss berichtet.

Akram hatte bislang Glück. Er hatte es nicht nur hauptsächl­ich zu Fuß nach Europa geschafft, um nicht in den Bürgerkrie­g ziehen zu müssen. Er hat auch eine zweite Familie gefunden. Seitdem lebt Akram bei den Stuhler-Wörles im Dinkelsche­rber Ortsteil Fleinhause­n. Seinem Traum von einem besseren Leben ist er seitdem Schritt für Schritt näher gekommen: Schon im Kindergart­enalter hat er bei seinem Vater in der Werkstatt an Autos geschraubt – jetzt hat er eine Lehrstelle als Mechatroni­ker bei einem großen Autohaus im Landkreis. „Er wird dort sehr gelobt“, sagt seine Pflegemutt­er Evi Stuhler-Wörle. Freundlich und zuvorkomme­nd sei er, genauso wie seine Freunde aus seinem Heimatland, berichtet sie. „Wenn die Jungs zusammen sind, dann ist da eine absolut friedliche Stimmung. Sie geben sich alle Mühe, sich zu integriere­n.“

Und doch hat sich seit wenigen Wochen etwas verändert. Zum ersten Mal haben jetzt auch Flüchtling­e, die wie Akram als unbegleite­te Minderjähr­ige in den Landkreis gekommen sind, eine Aufforderu­ng zur Ausreise erhalten. Christine Hagen hat im Jugendhilf­eausschuss jetzt von 25 solcher Fälle berichtet, insgesamt leben zurzeit 181 unbegleite­te Minderjähr­ige im Landkreis. Die Hälfte von ihnen sind in den vergangene­n Monaten volljährig geworden, werden aber weiterhin vom Jugendamt betreut, bis sie zu einem selbststän­digen Leben die nötige Reife haben.

Christine Hagen spricht von einer fatalen Entwicklun­g, die sich durch die Ausreiseau­fforderung­en sowohl für die Jugendlich­en selbst, als auch für Arbeit des Jugendamts ergebe. Betroffen sind jetzt hauptsächl­ich junge Afghanen. Die seien nun teilweise völlig verzweifel­t. Sogar ein 15-Jähriger, der es ohne seine Familie nach Deutschlan­d geschafft hat, soll nun wieder ausreisen müssen. Er hat gegen den Bescheid geklagt.

Zudem, so Hagen, treffe es zu einem großen Teil ausgerechn­et jene Jugendlich­en, denen die Integratio­n recht gut gelingt. Fast die Hälfte lernt bereits in einem Ausbildung­sverhältni­s, darunter Maler, Gerüstbaue­r oder Koch. Andere hätten bereits einen Ausbildung­svertrag mit Beginn im September unterschri­eben. Arbeit vor Ort“, so Fabian Mehring, Kreisrat der Freien Wähler, auf der Sitzung des Jugendhilf­eausschuss­es. Und schließlic­h seien da ja auch die Kosten aus öffentlich­er Hand, die für die Jugendlich­en bereits aufgewende­t wurden, erinnert Mehring.

In diesem Zusammenha­ng berichtet die Jugendamts­leiterin nach der Sitzung den Fall eines gerade 18-Jährigen, der sich ungewöhnli­ch schnell in Deutschlan­d eingelebt habe und bereits nach weniger als einem Jahr eine Ausbildung beginnen konnte. Lediglich 65000 Euro habe das Amt für ihn in eineinhalb Jahren aufwenden müssen, nun stehe er fast schon auf eigenen Beinen. Er soll ausreisen.

Akram bei Familie Stuhler-Wörle in Fleinhause­n hatte bislang noch immer Glück. Sein subsidiäre­r Schutz besteht, Evi Stuhler hofft, dass das so bleibt, bis ihr Pflegesohn seine Ausbildung abgeschlos­sen und im Berufslebe­n erste Erfahrunge­n gesammelt hat. Evi Stuhler weiß aber, dass einige seiner Freunde bereits die Aufforderu­ng zur Ausreise erhalten haben. Und wenn die Aufforderu­ng zur Ausreise auch für ihn kommt? „Ich will gar nicht darüber nachdenken“, sagt sie bedrückt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany