Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Vier Frauen und ein Hochzeitsfall
Musiktheater „Höchste Zeit“verursacht Lachtränen in Gersthofen
Vier schillernde Damen, ein arrogantes Möbelstück und ein höchst prekärer Hochzeitsfall – um mehr ging es nicht in der feuchtfröhlichen Musikkomödie „Höchste Zeit“, die in der Gersthofer Stadthalle für zahllose Lachtränen sorgte. Doch diese Mixtur reichte aus, um ein Musical auf die Bühne zu zaubern, das es hinsichtlich Humor und gesanglicher Leistungen faustdick hinter den Ohren hatte.
Keine menschlichen Figuren machten schließlich den Anfang dieses klingenden Klamauks, sondern ein sprechender Wandspiegel im guten alten SchneewittchenCharme. Die Story selbst: Eine junge Braut erwacht mit verheerendem Kater am Hochzeitstag und versteht die Welt nicht mehr – der Ehemann ist verschwunden und in ihrer Hotelsuite tummeln sich stattdessen ihre drei nervigen Freundinnen, die mit absurden Ratschlägen und blasiertem Zickengeschwätz ein Tohuwabohu anrichten.
Doch die dringlichste Frage für die angehende Ehegattin: Mit wem hat sie eigentlich die letzte Nacht verbracht? Alles deutet auf einen Sänger namens Howard Carpendale hin, der im Nachbarzimmer residiert. Die durch diese explosive Situation hervorgerufenen Wortgefechte der vier Damen waren an bitterbösem Witz und schöpferischer Situationskomik kaum noch zu überbieten. Im Laufe der Handlung wurden immer neue Fragen in den Raum geworfen: Gibt es den perfekten Ehemann? Und warum will mir der gemeine Mistkerl keinen Hochzeitsantrag machen?
Zu einem richtigen Kunstgriff wurde eine vermeintlich chaotische Szenerie, in der alle vier Frauen gleichzeitig Handygespräche führten, die inhaltlich nicht zusammenhingen, für den Zuhörer aber dennoch eine eigenständige Geschichte ergaben. Auch die musikalische Komponente dieses „Hormonicals“war hörenswert: Mit brillanten Stimmen gaben die Darstellerinnen nicht weniger als 20 Songs zum Besten, die sich als herzerfrischende Neuinterpretationen berühmter Welthits offenbarten – „Kisses for me“wurde zu einem Song namens „Ersatzteillager“, „Girls, Girls, Girls“zum fröhlichen Kalauer „Noch nicht Schicht im Schacht“.
Diese Komödie wusste jedoch in erster Linie durch die unterschiedlichen Charaktere zu begeistern: Die g’stumperte „Hausfrau“(Angelika Mann) eroberte als treudoofe Landpomeranze die Herzen der Zuschauer und überraschte darüber hinaus als passionierte Bluessängerin, indes die „Vornehme“(Heike Jonca) sich als bissige Querulantin outete und gleichzeitig mit einer herrlich schwelgenden Chansonstimme brillierte. Wohl kaum jemand könnte dagegen eine verkaterte Braut am Hochzeitsmorgen besser verkörpern als Charlotte Heinke mit ihrem genervten Herumgelalle und den Spätfolgen des Alkohols. Eine grandiose Leistung legte nicht zuletzt Nini Stadlmann an den Tag: maßlos übertrieben in der Ausdruckskraft, herrlich schön schrill und unglaublich komisch, sobald sie auch nur einen einzigen Ton in den Raum kreischte.
Hier hatte Autor Tilmann von Blomberg ganze Arbeit geleistet: Statt eine Flut an flachen Plattitüden aneinanderzureihen, wusste er genau, wie man das Publikum wirklich amüsiert. Jeder einzelne Blick der Damen konnte Giftpfeile verschießen, jedes einzelne Wort traf mit seiner Wirkung voll ins Schwarze. Und die musikalischen Arrangements von Carsten Gerlitz waren perfekt mit der Handlung abgestimmt. Eine großartige Leistung zeigte nicht zuletzt auch der sarkastische Spiegel an der Zimmerwand, der zumindest verbal von Viktor Neumann verkörpert wurde.