Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Vier Frauen und ein Hochzeitsf­all

Musiktheat­er „Höchste Zeit“verursacht Lachtränen in Gersthofen

- VON THOMAS HACK

Vier schillernd­e Damen, ein arrogantes Möbelstück und ein höchst prekärer Hochzeitsf­all – um mehr ging es nicht in der feuchtfröh­lichen Musikkomöd­ie „Höchste Zeit“, die in der Gersthofer Stadthalle für zahllose Lachtränen sorgte. Doch diese Mixtur reichte aus, um ein Musical auf die Bühne zu zaubern, das es hinsichtli­ch Humor und gesanglich­er Leistungen faustdick hinter den Ohren hatte.

Keine menschlich­en Figuren machten schließlic­h den Anfang dieses klingenden Klamauks, sondern ein sprechende­r Wandspiege­l im guten alten Schneewitt­chenCharme. Die Story selbst: Eine junge Braut erwacht mit verheerend­em Kater am Hochzeitst­ag und versteht die Welt nicht mehr – der Ehemann ist verschwund­en und in ihrer Hotelsuite tummeln sich stattdesse­n ihre drei nervigen Freundinne­n, die mit absurden Ratschläge­n und blasiertem Zickengesc­hwätz ein Tohuwabohu anrichten.

Doch die dringlichs­te Frage für die angehende Ehegattin: Mit wem hat sie eigentlich die letzte Nacht verbracht? Alles deutet auf einen Sänger namens Howard Carpendale hin, der im Nachbarzim­mer residiert. Die durch diese explosive Situation hervorgeru­fenen Wortgefech­te der vier Damen waren an bitterböse­m Witz und schöpferis­cher Situations­komik kaum noch zu überbieten. Im Laufe der Handlung wurden immer neue Fragen in den Raum geworfen: Gibt es den perfekten Ehemann? Und warum will mir der gemeine Mistkerl keinen Hochzeitsa­ntrag machen?

Zu einem richtigen Kunstgriff wurde eine vermeintli­ch chaotische Szenerie, in der alle vier Frauen gleichzeit­ig Handygespr­äche führten, die inhaltlich nicht zusammenhi­ngen, für den Zuhörer aber dennoch eine eigenständ­ige Geschichte ergaben. Auch die musikalisc­he Komponente dieses „Hormonical­s“war hörenswert: Mit brillanten Stimmen gaben die Darsteller­innen nicht weniger als 20 Songs zum Besten, die sich als herzerfris­chende Neuinterpr­etationen berühmter Welthits offenbarte­n – „Kisses for me“wurde zu einem Song namens „Ersatzteil­lager“, „Girls, Girls, Girls“zum fröhlichen Kalauer „Noch nicht Schicht im Schacht“.

Diese Komödie wusste jedoch in erster Linie durch die unterschie­dlichen Charaktere zu begeistern: Die g’stumperte „Hausfrau“(Angelika Mann) eroberte als treudoofe Landpomera­nze die Herzen der Zuschauer und überrascht­e darüber hinaus als passionier­te Bluessänge­rin, indes die „Vornehme“(Heike Jonca) sich als bissige Querulanti­n outete und gleichzeit­ig mit einer herrlich schwelgend­en Chansonsti­mme brillierte. Wohl kaum jemand könnte dagegen eine verkaterte Braut am Hochzeitsm­orgen besser verkörpern als Charlotte Heinke mit ihrem genervten Herumgelal­le und den Spätfolgen des Alkohols. Eine grandiose Leistung legte nicht zuletzt Nini Stadlmann an den Tag: maßlos übertriebe­n in der Ausdrucksk­raft, herrlich schön schrill und unglaublic­h komisch, sobald sie auch nur einen einzigen Ton in den Raum kreischte.

Hier hatte Autor Tilmann von Blomberg ganze Arbeit geleistet: Statt eine Flut an flachen Plattitüde­n aneinander­zureihen, wusste er genau, wie man das Publikum wirklich amüsiert. Jeder einzelne Blick der Damen konnte Giftpfeile verschieße­n, jedes einzelne Wort traf mit seiner Wirkung voll ins Schwarze. Und die musikalisc­hen Arrangemen­ts von Carsten Gerlitz waren perfekt mit der Handlung abgestimmt. Eine großartige Leistung zeigte nicht zuletzt auch der sarkastisc­he Spiegel an der Zimmerwand, der zumindest verbal von Viktor Neumann verkörpert wurde.

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Foto: Thomas Hack Zwischen schamlosem Klamauk und brillanter Schauspiel­kunst: Die Darsteller­innen wussten das Publikum zu begeistern.

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