Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Brennholz Stradivari?
Studie Neue Geigen sollen besser sein als weltberühmte alte Geigen
Ein Leben lang glaubten wir, dass eine barocke Amati, Guarneri, Stradivari das Nonplusultra unter den Geigen ist. Auch weil Generationen ihrem Klanggeheimnis – bedingt erfolgreich – nachgejagt waren.
Das hätten sie sich anscheinend sparen können. Der Name bleibt Schall und Rauch. Denn nun erklärt die neueste Studie unter all den vielen täglichen neuen Studien, dass neue Geigen besser klingen als alte.
Empirische Forscher aus den USA und aus Frankreich hatten ein 55-köpfiges Publikum in Paris und ein 82-köpfiges Publikum in New York zehn Geigern lauschen lassen, die mit verbundenen Augen hinter einem Wandschirm mal mit alten, mal mit neuen Geigen aufspielten. Und dann hätten die Hörer „den dargestellten Klang der neuen Violinen besser als den der alten“empfunden. Sagt die Studie aus der US-Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences. Was zunächst einmal den Schluss zulässt: Jahrhundertelang wurde die Rechnung gleichsam ohne den Gast gemacht, ohne den Hörer.
Aber die Studie, die mit weniger als 200 Probanden arbeitete, erklärt auch, dass Solisten wie Auditorium nicht in der Lage gewesen seien, alte und neue Violinen „beständig auseinanderzuhalten“. Das nun wiederum lässt das Fazit zu: Is’ eh alles wurscht. Aber dann offenbart die Studie noch einen dritten Punkt: Zwei der Forscher waren Mitarbeiter moderner StreichinstrumentWerkstätten. Sollte da eine gewisse Befangenheit vorliegen? Sollte da womöglich gar ein Marketing-Wunsch der Vater der Blindstudie sein? Wir jedenfalls, die wir emsig weiterüben und weiterhorchen, werden unsere Amatis, Guarneris, Stradivaris mit ihrem guten Klang nicht unters Brennholz mischen.