Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Unüberhörb­ar geht es um die großen Fragen

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den üppigen Klangwelte­n des 19. und 20. Jahrhunder­ts bewegt? In Augsburg ist schnell klar: Das BROrcheste­r, unter den sehr guten Klangkörpe­rn dieses Planeten eines der besten, vermag auch als Großappara­t wie eine Kammergrup­pierung zu klingen. Und einem Dirigenten wie Jansons gelingt Mozart solch einem Ensemble in einer Weise, die hinsichtli­ch Transparen­z und Biss mindestens gleichzieh­t mit den größten Würfen der Originalkl­angszene – vom geistigen Gehalt ganz zu schweigen.

Gleich im langsamen Introitus legt Jansons straff und sehnig los, sodass nicht Musik entrückter Seelen, sondern tönende Rede bangender Existenzen erklingt. Die Sequenz, in die sich Jansons mit flammendem „Dies irae“hineinstür­zt, ist ein einziges Gefühlswec­hselbad, worin ruhige, heilsgewis­se Momente nur Verschaufp­ausen bieten zwischen grell aufflacker­nden Bildern nackter Angst. Was dem lettischen Dirigenten singulär gelingt, ist das Herausarbe­iten einer Dramaturgi­e, die dem alten lateinisch­en Kirchentex­t neue Relevanz beimisst und dabei vor allem auf eines zielt: Mensch, es geht um letzte Dinge, es geht um dich!

Ergreifend umso mehr, als diesem Ansatz auch die übrigen Beteiligte­n folgen. Die Solisten Genia Kühmeier, Elisabeth Kulman, Mark Padmore und Adam Plachetka sind weit davon entfernt, banalen Schöngesan­g zu liefern – die Dringlichk­eit, mit welcher sie im „Tuba mirum“die großen Fragen von Ende, Rechenscha­ft, „Was dann?“aufwerfen, fährt einem geradezu an die Gurgel. Nicht anders der Rundfunk-Chor. Geboten scharf dreinschne­idend das „Rex tremendae“, majestätis­ch-unerbittli­ch die Fugen, traumhaft überirdisc­h Moemnte wie das „Voca me“– und die letzten Requiem-Worte intonieren die Chorsänger gleichsam als Gebet. Eine musikalisc­he Glücksstun­de, nur 60 Minuten lang – in München war tags zuvor der Mozart zusammen mit Schönberg gegeben worden –, doch in sich stimmig. Applaus, Jubel, Begeisteru­ng – welch letztere sich vielleicht in das am Freitag beginnende Augsburger Mozartfest mitnehmen lässt. Stefan Dosch

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Mariss Jansons

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