Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Dieser Stein veränderte ihr Leben
Tragödie Seitdem ein psychisch gestörter Mann den Betonbrocken auf die A7 warf, ist in einer Familie aus Laupheim nichts mehr, wie es war. Wie es Serdal und Deniz Öztürk heute geht
Serdal Öztürk lenkt sich ab, so gut er kann. Stück für Stück renoviert er den Bungalow, in den er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern einziehen wird. Der genaue Zeitpunkt steht noch nicht fest – vielleicht Ende Juni, wenn seine Frau endlich aus dem Krankenhaus entlassen wird. Der Vater schraubt Haltegriffe an die Wand, macht das Haus rollstuhlgerecht. Bei jedem Handgriff wird er daran erinnert, warum er das tut – weil heute vor genau 236 Tagen ein Fremder das Leben seiner Familie für immer verändert hat.
Die Öztürks fahren in einer Septembernacht des vergangenen Jahres über die A7, als bei Giengen an der Brenz ein Hindernis auftaucht – ein zwölf Kilogramm schwerer Betonpflasterstein, den der geistig verwirrte Jörg B. auf die Straße geworfen hat. Es kommt zum Unfall, das Auto überschlägt sich. Die Kinder der Öztürks, damals vier und sechs Jahre alt, werden leicht verletzt. Serdal Öztürk bricht sich Becken, Knie und Rippen. Am schlimmsten erwischt es seine Frau Deniz. Die heute 27-Jährige bricht sich Hals- und Brustwirbel, erleidet einen Schädelbasisbruch und Hirnblutungen. Ein Unterschenkel muss amputiert werden. ist ungewiss, ob sie überleben wird.
Heute, 34 Wochen nach dem Unfall, liegt sie noch immer im Universitätsklinikum Ulm. Ihr Arzt, YorckBernhard Kalke, hat den Fall seiner Patientin nun deutschlandweit unter Medizinern bekannt gemacht. Während tin: „Am Anfang hatte sie kaum Gespür im Rumpf und den unteren Extremitäten“, sagt er. Inzwischen habe Deniz Öztürk Fortschritte gemacht. Mithilfe einer Prothese und der Unterstützung von medizinischem Personal könne sie einige Meter weit gehen. Die Fortschritte sind aus seiner Sicht überaus bemerkenswert und der Grund dafür, warum er vor Kollegen über Deniz Öztürk spricht. Sie werde dennoch wohl dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen sein.
Darauf stellt sich die Familie aus Laupheim, einer Stadt 20 Kilometer von Neu-Ulm entfernt, nun ein – mit der Renovierung des Hauses. „Die Arbeit hilft mir“, sagt Serdal Öztürk. Manchmal vergesse er für kurze Zeit dabei sogar den Unfall. Ganz vergesTagelang sen wird er ihn nie. „Der Grund für die Renovierung ist mir klar – ich tue das, weil meine Frau im Rollstuhl sitzt“, sagt er. Er sagt aber auch, dass die Renovierungsarbeiten seine Frau ablenkten. Von ihrem Krankenbett aus wählt sie aus Katalogen Bodenbeläge und Möbelstücke für den Bungalow aus. An den Täter Jörg B., der im vergangenen Monat verurteilt und in eine Psychiatrie zwangseingewiesen wurde, verschwendet Serdal Öztürk kaum Gedanken. „Ich habe keinen Nerv für diesen Vollidioten.“Dabei hatte der Täter ihn selbst noch im Gerichtssaal bedroht – Jörg B. rief ihm zu: „Ich knall dich ab!“
Den Bungalow, an dem Serdal Öztürk arbeitet, hat die Familie mithilfe von Spenden gekauft – 35000 Euro sind zusammengekommen. Die Renovierung muss der Familienvater nicht alleine stemmen. Seine Eltern und Brüder helfen ihm, auch seine Kinder packen mit an: „Meistens spielen sie aber im Garten und springen über den Rasen, während wir innen arbeiten.“Deniz Öztürk hingegen weiß nicht, ob sie jemals wieder mit ihren Kindern so draußen spielen kann. „Normalität wird es für uns nicht mehr geben. Nicht für meine Frau“, sagt Serdal Öztürk. Doch er und auch Yorck-Bernhard Kalke sind sich sicher, dass Deniz Öztürk nicht aufgeben wird. „Die Patientin ist eine taffe Frau“, sagt ihr Arzt. flach atmen. Unsere mobilen Kommissare spielen da freilich in einer anderen Liga. Sie haben es mit einem Macho als Hauptverdächtigem (gute Rolle für Martin Feifel) zu tun, der auch schon gar nichts anbrennen lässt.
Es gibt Sex, Beziehungsklimbim und Verwirrungen. Die machen auch nicht vor Batic halt, der es mit einer verheirateten Frau treibt. Problematisch. Nicht nur weil sein Kollege analog zu Loriot witzelt, er habe jetzt „was Eigenes“. Ermittelt wird auch, so bleibt das Ganze ungeachtet der üblichen Scherze des Hauptkommissar-Duos leidlich spannend. Vielleicht wollte der BR nach dem blutigen „Tatort“-Beitrag „Der Tod ist unser ganzes Leben“vor drei Wochen einen Kontrast schaffen. Ja, gerne.
Aber mehr München bitte! Und keine fleckigen Glas-Betonbauten wie überall als typische Location. Für einen München-„Tatort“ist das zu wenig. Rupert Huber