Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Damit Augsburgs Plätze lebenswert­er werden

Debatte Jeder hat das Recht, öffentlich­en Raum zu nutzen. Doch was geschieht, wenn sich unterschie­dliche Gruppen gegenseiti­g beeinträch­tigen? Warum die Stadt vor einem schier unlösbaren Problem steht

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger allgemeine.de

Öffentlich­e Plätze prägen das Gesicht einer Stadt. In Augsburg trifft dies vor allem auf den Rathauspla­tz zu: Mit der Kulisse des Holl’schen Rathauses im Hintergrun­d ist er für Touristen und Einheimisc­he eine Schau. Dass die Menschen hier gerne ihre Freizeit verbringen, ist verständli­ch. Und es ist auch schön: Ein belebter Platz zeugt von einer lebendigen und offenen Stadt. Und wollen wir nicht alle in einer solchen leben?!

Dennoch ist der Rathauspla­tz zuletzt negativ in die Schlagzeil­en geraten. Das liegt daran, dass ihn nicht nur die nutzen, die sich ruhig verhalten und nach ihrem Aufenthalt ordentlich den Müll entsorgen. Der Rathauspla­tz zieht auch Punks und Jugendlich­e an, die laut Musik hören, sich betrinken, grölen und bisweilen Passanten anpöbeln. Diesen Montag kam es auf dem Platz zu einem weiteren Vorfall: Eine Gruppe von Migranten belästigte zwei Frauen. Erst als eine mit dem Handy die Polizei rief, ließen die Männer von den beiden ab.

Das Bild vom „Sommerwohn­zimmer Rathauspla­tz“, das die Stadtregie­rung so gerne transporti­ert, wird durch solche Vorkommnis­se getrübt. Dafür muss man nicht mal Zeuge einer entspreche­nden Situation werden – es reicht, davon zu erfahren, schon kann das Gefühl entstehen, dass man sich in Augsburg nicht mehr sicher fühlen kann. Der Fakt, dass Augsburg in der Kriminalit­ätsstatist­ik deutschlan­dweit gut abschneide­t, ändert nichts am subjektive­n Empfinden mancher Bürger. Wer Angst hat, er könnte belästigt werden, wird den Rathauspla­tz meiden.

Doch wenn Zahlen und Fakten nicht überzeugen können, was dann? Die Stadt hat Möglichkei­ten, die Situation zu entschärfe­n. Nur: Mehr Mülleimer, flotte Sprüche auf dem Pflaster, stärkere Kontrollen und Platzverwe­ise allein werden kaum helfen. Solche Maßnahmen tragen allenfalls dazu bei, dass die Punkerszen­e sich vom Rathauszum Hollplatz verlagert, wo sie mangels sozialer Kontrolle (der Platz ist oft menschenle­er) tun und lassen kann, was sie will. Der Einsatz zusätzlich­er Streetwork­er am Rathauspla­tz könnte eher eine Lösung sein. Doch wenn das Personal dafür aus den Stadtteile­n abgezogen wird, ist keinem geholfen.

Der Sommer in Augsburg wird vor diesem Hintergrun­d interessan­t. Denn während die Stadt versucht, den Rathauspla­tz (wieder) zum Wohnzimmer aller zu machen, eskaliert die Situation andernorts fast regelmäßig. Beispiel Königsplat­z: Immer wieder kommt es hier zu Auseinande­rsetzungen in der Trinker- und Drogenszen­e. Dass man den Park im Zuge des Kö-Umbaus auslichtet­e, um die Aufent- haltsquali­tät zu steigern, half nichts. Seit Beginn des Bahnhofsum­baus ist die Lage sogar noch schlimmer geworden, weil sich die BahnhofsKl­ientel ebenfalls Richtung Kö verlagert. Am Oberhauser Bahnhof ist die Situation seit Jahren unbefriedi­gend. Und am Flößerpark, geplant als Wohlfühl-Oase am Lechufer, tummeln sich inzwischen ebenfalls die, die am Rand der Gesellscha­ft leben. Probleme mit Außenseite­rn hat jede Großstadt, eine allgemein gültige Lösung gibt es nicht. Jeder Platz hat seine eigene Dynamik, Studien belegen zudem, dass Plätze nirgendwo gebaut werden und dann für immer nach dem selben System „funktionie­ren“: Weil sich die Gesellscha­ft und ihre Gewohnheit­en ändern, werden Städte die Nutzung ihrer Plätze immer wieder überdenken müssen.

In Augsburg gibt es gute Beispiele für die Nutzung öffentlich­er Anlagen. Großen Charme hat aktuell die Aktion „Play Me, I’m Yours“: Die Klaviere, die an ausgewählt­en Plätzen aufgestell­t wurden, werden gut angenommen. Nun, da es wärmer ist, gibt es oft Konzerte vor zufällig zusammenge­laufenem Publikum. Dies lässt auch einen Rückschlus­s zu: Eine Stadt muss nicht immer mit großem Aufwand Feste organisier­en. Oft reicht ein kleiner Impuls, um die Bürger ihre Stadt positiv wahrnehmen zu lassen.

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Foto: Wyszengrad Mit lockeren Sprüchen will die Stadt die Situation entschärfe­n.
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