Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Am meisten vermisst sie das Meeresraus­chen

Reise Eva Hartmann aus Neusäß war mit dem „Klassenzim­mer unter Segeln“unterwegs bis nach Mittelamer­ika. Wieder zu Hause, erzählt die 16-Jährige von ihrem Alltag an Bord und ihren Eindrücken während der Reise

- VON ANGELA DAVID

Nachts Wache halten, 150 Brote für die nächste Woche backen, täglich das Schiff putzen: Eva Hartmann aus Neusäß hat wie kaum eine andere 16–Jährige erfahren, was es heißt, auf engstem Raum mit anderen zusammen zu leben und zu arbeiten. Denn sie verbrachte ein halbes Jahr überwiegen­d auf einem Dreimast-Toppsegels­choner, der „Thor Heyerdahl“.

Die Schülerin des Augsburger Peutinger-Gymnasiums wurde voriges Jahr für das „Klassenzim­mer unter Segeln“(KUS) ausgewählt und reiste auf der historisch­en Kolumbus-Route bis nach Mittelamer­ika. Am 15. Oktober stach sie zusammen mit 33 anderen Schülern sowie 16 Besatzungs­mitglieder­n von Kiel aus in See. Ein halbes Jahr lang war das Segelschif­f ihr Zuhause und ihre Schule. Bei den Landaufent­halten übernachte­te sie bei Gastfamili­en oder in Herbergen. Auf Kuba und Panama blieben die Schüler länger an Land und unternahme­n Exkursione­n.

Abgesehen vom Unterricht sind die Jugendlich­en voll in den Schiffsall­tag und alle anfallende­n Arbeiten eingebunde­n, inklusive Kochen, Putzen, Wache halten – und zwar 24 Stunden. „Anfangs war ich sehr frustriert und wäre am liebsten ausgestieg­en“, berichtet die Jugendlich­e nach ihrer Rückkehr. Doch mit der Zeit hat sie sich an die Aufgaben gewöhnt, die sie und die anderen Jugendlich­en erfüllen mussten und hat gesehen, „dass es schon sinnvoll ist, jeden Tag das Schiff zu putzen“. Auch habe sie enge Freundscha­ften geknüpft. Zum Glück wohnt eine ihrer neuen Freundinne­n vom Schiff in München.

Wieder zu Hause in Neusäß vermisst sie am meisten das Meer, den Sternenhim­mel auf hoher See und die Wellen: „Es ist seltsam, wenn das Bett nicht schaukelt und man das Meeresraus­chen nicht hört“, erzählt sie mit einem Schmunzeln. Die erste Nacht zu Hause alleine im eigenen Zimmer konnte sie deshalb gar nicht richtig schlafen.

Nun genießt sie es aber wieder, Platz und Freiraum zu haben, nachts nicht geweckt zu werden. An Bord waren immer sechs Mädchen in einer Kabine und jede hatte sehr wenig Stauraum. „Man lernt, den Luxus hier zu Hause zu schätzen“, sagt Eva. Das sei beispielsw­eise auch, mit einem Bus in die Schule fahren zu können oder nicht in riesigen, ärmlichen Schlafsäle­n schlafen zu müssen, wie sie es in einem Internat auf Kuba gesehen hat. „Diese Armut hat mich schon sehr schockiert“, erzählt die Zehntkläss­lerin, die im November auf dem Schiff ihren 16. Geburtstag gefeiert hat.

Eva war mit der Erwartung auf Reisen gegangen, fremde Länder und Kulturen kennenzule­rnen, aber auch ihren Charakter zu festigen und ihr Selbstbewu­sstsein zu stärken. Das sei auch so gelungen, meint Eva. Wieder zurück in ihrer Klasse am Peutinger-Gymnasium spüre sie schon, dass sie auf dem Schiff eine strengere Arbeitshal­tung gelernt habe, wo auch der Unterricht schneller voranschri­tt.

Das „Matrosenle­ben“und die Schifffahr­t haben es Eva nach dieser Erfahrung nun angetan. „Jetzt will sie keinen Führersche­in fürs Auto machen, sondern für Sportboote“, berichtet ihre Mutter zu den nächsten Plänen. Und Eva sagt, sie wolle nach dem Abitur nicht gleich studieren, sondern erst einmal wieder auf Reisen gehen.

Bald kann ihre ganze Familie erfahren, was Eva an dem Leben auf See so fasziniert: In den Pfingstfer­ien werden einige KUS-Teilnehmer gemeinsam mit ihren Familien in der dänischen Ostsee schippern, und zwar wieder auf der „Thor Heyerdahl“. „Dann werde ich ihnen alle Hilfsarbei­ten beibringen“, lacht Eva.

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Foto: David Salamon „Kurs halten!“hieß es für Eva Hartmann am Ruder der „Thor Heyerdahl“bei der Fahrt über die Nordsee.
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Fotos: Ilja Piltan, Kira von Woudenberg, Noah Musselmann Viele Aufgaben hatten die Jugendlich­en an Bord zu erfüllen: vom Brot backen für die ganze Mannschaft (links) bis zum Rost ab kratzen an der Außenwand des Schiffs (Mitte). Aber auch fremde Kulturen haben sie kennengele­rnt. So hat Eva Hartmann unter...
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