Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ein Bühnenpaar, bald getrennt
Ballett Eveline Drummen und Tamás Darai kennen sich von ihrem Studium in Budapest. In Augsburg haben sie sich wieder getroffen. Noch zwei Mal können sie hier ihr ganzes Können als Carmen und Don José zeigen
Stocksteif steht er da, dieser Don José in seiner Uniform, während Carmen ihre Füße an seinen Beinen entlangwandern lässt. Nein, er darf ihren Verführungskünsten nicht erliegen, dieser wackere Soldat, aber jeder Zuschauer weiß: Er wird. Wer könnte Carmen widerstehen, die im Ballett des Theaters Augsburg faszinierend lasziv, selbstbewusst und doch verletzlich von Eveline Drummen getanzt wird?
Die Niederländerin stieß vor drei Jahren zur Augsburger Ballettcompagnie, überzeugte durch ihre Virtuosität, ihre exakte Technik und immer wieder ihre starke Ausstrahlung. Erinnert sei an ihre Verkörperung von Hamlets Mutter in der vergangenen Spielzeit. Die Rolle der Carmen in der letzten Produktion des Augsburger Balletts unter Robert Conn wird jetzt für sie zum Triumph. „Meine ganze Seele kann ich in dieser Rolle finden“, sagt sie. „Sie ist in jeder Zelle von mir, sie ist mir ins Blut gegangen.“Begeistert erzählt sie davon, wie jedes Stück eine eigene Körperhaltung verlange und wie sie immer neue Facetten an sich entdecke. „Das erlaubt dieser Beruf, das macht ihn so wunderbar“, findet sie. „Es ist wie bei einer Zwiebel, es geht immer tiefer.“Zunächst seien es die Schritte, die man in eine Story verwandle, dann entwickle man daraus die Emotionen, die hinter der Geschichte stehen.
Ihre Rolle als Carmen hat die 29-Jährige jedoch nicht nur verinnerlicht, auch äußerlich hat sie Spuren hinterlassen. Auf Vorschlag von Choreografin Valentina Turcu ließ sie sich ihr brünettes Haar rot färben. Groß war ihr Widerstand nicht, „denn es bringt auch einen neuen Schwung in mein Leben“, sagt sie mit einem Lächeln, hinter dem sie die Wehmut nicht ganz verbergen kann. Wie viele andere Tänzer verlässt Eveline Drummen Augsburg zum Ende der Spielzeit. Sie macht keinen Hehl daraus, dass sie darüber traurig ist. „Ich habe mich in diesem Theater zu Hause gefühlt, ich wollte nicht, dass es endet“.
Das Ende ihres Augsburger Engagements sieht Eveline Drummen jetzt als Chance für einen Neubeginn. In den kommenden Wochen will sie beim Vortanzen in anderen Häusern zeigen, was sie in Augsburg zu einer phänomenalen Carmen gemacht hat. „Es ist schön, dass ausge- rechnet diese großartige Rolle meine letzte hier ist“, findet Drummen.
Auch für Tamás Darai, der Drummens Bühnenpartner als Don José ist, ist es die letzte Rolle in Augsburg. Zwei Jahre gehörte er zum Ensemble, mittlerweile ist er nur noch als Gast hier, weil er bereits einen neuen Vertrag hat: bei der Dresden Frankfurt Dance Company, dem Nachfolge-Ensemble der legendären Company des Choreografen William Forsythe, der für eine Erneuerung des klassischen Balletts steht. Für den 24-jährigen Ungarn, der an der Budapester Ballettakademie streng nach russischer Methode ausgebildet wurde, bedeutet dies eine Umorientierung auf einen zeitgenössischen Stil. So sehr ihn diese Herausforderung reizt, so glücklich ist er darüber, in Augsburg zum Abschluss in einem neoklassischen Handlungsballett tanzen und „echte Emotionen in einer dramatischen Geschichte“zum Ausdruck bringen zu können.
Wie seine Bühnenpartnerin fühlt auch er sich seiner Rolle verwandt. Die Zwänge Don Josés als Soldat vergleicht er mit dem Drill und der Strenge, die er an der Ballettakademie kennengelernt hat. „Mir fehlte die Kreativität und ich wollte dem entkommen“, erinnert er sich. Sein Weg führte ihn zunächst nach Kroatien, wo er beim Nationalballett in Zagreb als Solist tanzte, dann nach Augsburg.
Auch Don José versuche, der militärischen Ordnung zu entfliehen und sehe in der Liebe zu Carmen eine Möglichkeit dafür, interpretiert Darai die Handlung. Die Vielfalt der Gefühle machten für ihn den Reiz der Geschichte aus, erzählt er. „Man muss sehen können, wie Don José von seinen Emotionen getrieben wird, wie er sich dagegen wehrt. Am Schluss kann er Carmen nur noch töten, obwohl er es gar nicht will.“Wie Tamás Darai diesen Zwiespalt des Soldaten, sich zwischen der Pflicht und der Liebe zu entscheiden, auf der Bühne zum Ausdruck bringt, wie er kraftvoll in seinen Sprüngen die Bühne durchmisst und dann wieder zart und innig im Pas de Deux mit seiner Partnerin dahingleitet, ist großartig.
Als Bühnenpaar tanzen Drummen und Darai in „Carmen“erstmals miteinander, doch kennen sie sich schon seit ihrer gemeinsamen Zeit an der Ballettakademie in Budapest. Drummen hatte bei der dortigen Sommerakademie Kurse besucht und dann ihre Ausbildung, die sie an der Rotterdamer Tanzakademie und am königlichen Konservatorium in Den Haag begonnen hatte, in Budapest beendet. Als Darai vor zwei Jahren nach Augsburg kam, erkannte sie ihn sofort. „Diese großen Augen vergisst man nicht.“Gemeinsam werden sie nun noch zweimal als Carmen und Don José auf der Bühne stehen, außerdem in der Ballettgala am kommenden Samstag und Sonntag, bevor sich ihre Wege wieder trennen. O
von „Carmen/ Bolero“am heutigen Dienstag und morgigen Mittwoch im Kongress am Park jeweils um 19.30 Uhr. Karten unter Tel. 0821/3244900 und an der Abendkasse