Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Terroristen zielen ins Herz der freien Welt – sie dürfen nicht gewinnen
Leitartikel Die Niedertracht erreicht mit dem Anschlag auf junge Pop-Fans eine neue Dimension. Polizei und Nachrichtendienste stehen vor einer Herkulesaufgabe
Unschuldige, wehrlose Kinder und Jugendliche, erfüllt von Glück nach dem Konzert ihres Pop-Idols, verstümmelt, zerfetzt, in den Tod gerissen von der Bombe eines Selbstmordattentäters. Barbarischer, sinnloser Terror, der mitten ins Herz der freien westlichen Gesellschaft zielt. Brüssel, Paris, Nizza, Berlin, Manchester – die Serie todbringender Anschläge auf europäische Metropolen reißt nicht ab.
Und da gibt es auch nichts zu beschönigen oder zu relativieren, etwa durch den völlig unnützen Hinweis, dass mehr Menschen durch Rauchen, falsche Ernährung, verschluckte Fischgräten oder Autounfälle sterben als durch Terroranschläge. Auch die schulterzuckende Empfehlung, die Gesellschaft müsse sich an die Terrorgefahr eben gewöhnen, in anderen Teilen der Welt sei es schließlich noch viel schlimmer, bringt niemanden weiter. Jedes dieser Attentate ist eines zu viel. Jedes Todesopfer mahnt dazu, die ideologischen Urheber und die Finanziers des Terrors ohne Nachsicht zu bekämpfen. Die bei Anschlägen Verletzten, die mit den schlimmen Folgen leben müssen, die Angehörigen, die den Verlust geliebter Menschen oft niemals verkraften, sie sind Verpflichtung, mit allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln neue Attentate zu verhindern.
Dass Deutschland im Fadenkreuz islamistischen Terrors steht, ist spätestens nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt klar, bei dem zwölf Menschen getötet wurden. Auch haarsträubendes Behördenversagen hat die Wahnsinnstat des als Gefährder bekannten Tunesiers Anis Amri begünstigt. Seither hat die Bundesregierung versucht, die bestehenden Lücken in der Gefahrenabwehr zu schließen. Sicherheitspolitik ist bislang das dominierende Thema im Wahlkampf. Doch in der Diskussion um die richtigen Antworten auf die Terrorgefahr wird schmerzlich klar: Absolute Sicherheit kann es nicht geben. Nicht jeder öffentliche Platz, an dem sich Menschen treffen, kann mit Zugangskontrollen und Videoüberwachung gesichert werden. Es ist schwierig genug, die bekannten Gefährder im Blick zu behalten, zumal deren Zahl weiter gestiegen ist. Sogenannte „einsame Wölfe“, die sich etwa in sozialen Netzwerken radikalisieren und dann Anschläge mit Äxten, Messern, Autos oder selbst gebastelten Bomben planen, sind noch viel schwerer dingfest zu machen.
In diesen Zeiten besonderer Bedrohung stehen Polizei und Nachrichtendienste vor einer Herkulesaufgabe, die eine entsprechende Ausstattung und die nötigen Befugnisse erfordert. Und es muss immer wieder neu verhandelt werden, wie diese Befugnisse in Einklang mit den Bürgerrechten zu bringen sind.
Doch Sicherheitsmaßnahmen dürfen die Freiheit nicht abschaffen. Sie müssen Freiheit ermöglichen. Zu dieser Freiheit gehört es, das Leben zu feiern, Musik, Kultur und Geselligkeit zu genießen. Fußballspiele zu besuchen, den Kirchentag, die Augsburger Sommernächte, den Schwörmontag in Ulm, die zahlreichen Open-Air-Festivals des Sommers. Dass das öffentliche Leben weitergeht, dass die freiheitliche, liberale und tolerante Gesellschaft ihre Werte nicht vergisst, das ist die richtige Antwort auf diejenigen, die versuchen, mit Terror und blindem Hass die Welt zu einem finsteren, freudlosen Ort zu machen. Eine Gesellschaft, die von Misstrauen und Argwohn geprägt ist, wäre genau nach dem Geschmack der islamistischen Hassprediger.
In den Bekennerschreiben islamistischer Attentäter fand sich immer wieder der Satz: „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod.“Das mag auf den ersten Blick so klingen, als könne die freie Welt den zu allem entschlossenen Selbstmordbombern nichts entgegensetzen. Doch das Gegenteil ist der Fall – für das Leben gibt es deutlich bessere Argumente.
Deutschland steht mit im Fadenkreuz