Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie der Putschversuch in der Türkei auch in Augsburg für Ärger sorgt
Justiz Türkische Nationalisten sollen politische Gegner in der Region bedroht haben. Der Chef der Grauen Wölfe wurde deshalb jetzt von der Staatsanwaltschaft angeklagt
Der Putschversuch von Teilen des türkischen Militärs gegen Staatschef Recep Tayyip Erdogan liegt bald ein Jahr zurück. Doch die Folgen sind auch in der Region weiter zu spüren. Noch immer polarisiert das Thema türkischstämmige Menschen, die hier leben. Und es beschäftigt auch die hiesige Justiz. Die Staatsanwaltschaft wirft Yildiray S., 46, dem Vorsitzenden eines rechtsextremistischen türkischen Vereins in Augsburg, Volksverhetzung vor.
Die Anklage stützt sich auf zwei Kommentare, die Yildiray S. im Juli vorigen Jahres, wenige Tage nach dem gescheiterten Putschversuch, im Online-Netzwerk Facebook veröffentlicht hat. Darin droht er den Gründern und Förderern des Augsburger „Fetö-Vereins“zweideutig: „Wir heißen euch zu eurem nächsten Urlaub in der Türkei herzlich willkommen“und er ruft dazu auf, örtliche „Fetö“-Vertreter namentlich an die türkischen Behörden zu melden. „Fetö“ist die Abkürzung die angebliche „Terrororganisation“des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen. Diese wird von Staatspräsident Erdogan für den gescheiterten Putschversuch verantwortlich gemacht, ohne dass bisher Beweise vorliegen. Im Gegenteil: Europäische Geheimdienste kamen zum Schluss, dass es keine Gülen-Verschwörung gegeben habe.
Der Geschäftsführer des Augsburger Vereins „Frohsinn Bildungszentrum“, der zur Gülen-Bewegung gehört, erstattete auf die FacebookÄußerungen hin Strafanzeige wegen Beleidigung und Volksverhetzung. Das Bildungszentrum betreibt in der Region vier Kindergärten sowie drei Nachhilfeeinrichtungen und wurde nach einer Demonstration gegen die Putschisten zur Zielscheibe. Das Fenster einer Einrichtung ging zu Bruch. Der Fall von Sachbeschädigung landete bei den Extremismus-Ermittlern der Augsburger Polizei, die Täter konnten allerdings nicht ermittelt werden.
Wegen der Facebook-Kommentare verhängte das Amtsgericht zu- nächst einen Strafbefehl über 3600 Euro gegen Yildiray S. Das geschieht ohne Verhandlung auf schriftlichem Weg. S. legte jedoch Einspruch ein. Deshalb kam es nun zum Prozess. Auf Antrag von Verteidiger Dominik Hofmeister entschied die Amtsrichterin, das Verfahren auszusetzen. Der Verteidiger gen Zeitung Türkiye Avrupa erklärte er vor der Verhandlung, er fühle sich unschuldig: „Ich habe bei Facebook keine Namen genannt, sondern nur Texte geteilt, die den Verrat zum Thema hatten“. Mit Verrat meint er den Putschversuch im vorigen Jahr. Seine Verteidigung widme er den „Helden der türkischen Nation“, sagte er und fügte hinzu: „Meine Seele kennt keine Furcht und wenn die Zeit gekommen ist, werde ich sie mit Gottes Erlaubnis in die Hände des Allerhöchsten legen. Es lebe die große türkische Nation!“
Zum Prozesstermin erschien der gebürtige Augsburger Yildiray S. in Begleitung von 14 Männern. Darunter der Vorsitzende des Vereins türkischer Eltern (vte), der mit den Grauen Wölfen eng verbunden ist, und ein junger Mann, der in Augsburg bereits als Organisator mehrerer türkisch-nationalistischer Demonstrationen auftrat. Zudem befand sich im Publikum auch eine Mitarbeiterin des türkischen Generalkonsulats in München, die den Prozess beobachtete.