Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Endet nach dem Unterricht die Verantwortung?
Sicherheit Für die Betreuung von Schülern an der Bushaltestelle fühlen sich weder Stadt noch Schule zuständig. Aber ist eine Aufsicht überhaupt notwendig?
Ein Bus rollt auf eine Haltestelle voller tobender Kinder zu. Eltern und Lehrern, die eine derartige Situation beobachten, schlägt der Puls höher. Was, wenn ein Kind ein anderes auf die Straße schubst? Wenn beim Fangenspielen der einzige Fluchtweg direkt vor den Bus führt?
In den Grundschulen in Neusäß und Steppach gab es bisher eine gute Lösung: Der Hausmeister übernahm auch nach Unterrichtsschluss die Aufsicht an der Bushaltestelle und sorgte für Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Doch aufgrund struktureller Änderungen konnte diese ehrenamtliche Betreuung nicht mehr aufrecht erhalten werden: „Die Betreuung an der Bushaltestelle ist offiziell weder Aufgabe der Lehrer, noch des Hausmeisters“, sagt die Schulleiterin der Steppacher Grundschule, Britta Mahler. In ihrer Schule werden die Kinder im Gebäude beaufsichtigt und dann rechtzeitig zum Bus gebracht.
In Westheim übernehmen jetzt die Lehrer die Aufsicht an der Haltestelle. Rektor Richard Sailer findet die Betreuung an der Haltestelle notwendig. Aber die Frage ist: Wer ist verantwortlich? Die Schulleitungen sehen die Stadtverwaltung in der Pflicht, neue Aufsichtspersonen an den betreffenden Haltestellen bereit zu stellen. Simon Huber, der stellvertretende Amtsleiter der Schulverwaltung in Neusäß sagt: „Die Stadt ist zuständig für die Beförderung der Kinder, die Sicherheit an der Bushaltestelle gehört allerdings nicht zum Aufgabenbereich der Stadt.“Doch Grundschule und Lehrer sind nur auf dem Schulgelände und zu regulären Unterrichtszeiten verantwortlich.
Da sich keine Einigung der beiden Parteien abzeichnete, wurden nun seitens der Kommune mehrere Fachgutachten eingeholt. So sieht das Kultusministerium keinen Handlungszwang für die Stadt. Eine kommunale Aufsichtspflicht bestünde nur bis zu 15 Minuten nach Unterrichtsschluss bzw. bis die Schüler das Schulgelände verlassen haben. Wartezeiten an Bushaltestellen seien dabei nicht mit einbezogen. Danach gehe laut dem Ministerium die Haftung auf die Erziehungsberechtigten über.
Auch der Bayerische Gemeindetag habe eine Aufsichtspflicht der Stadt verneint.
Die Befragung von Polizei und Landratsamt ergab: Aus polizeilicher Sicht gibt es keinen zwingenden Grund für die Busaufsicht. Sie ist also nicht unbedingt notwendig, trotzdem würde das Landratsamt eine Aufsicht am Busparkplatz begrüßen. Rektorin Mahler sieht das ähnlich: „Das sind doch zwei Paar Schuhe – kann sich die Stadt denn aus der Verantwortung nehmen, auch wenn es keinen rechtlich zwingenden Grund gibt?“
Auch der Leiter der Grund- und Mittelschule in Zusmarshausen findet: „Obwohl eigentlich die Gemeinde für den Busverkehr zuständig ist, muss ich mich um die Sicherheit an der Bushaltestelle kümmern.“An seiner Schule kommen und gehen jeden Tag an die 300 Schüler mit dem Schulbus. „Bei dieser großen Menge muss einfach alles funktionieren“, betont er. Deshalb gibt es an seiner Schule „Buslotsen“, ältere Schüler aus Mittel- und Realschule, die von der Polizei ausgebildet werden und für Ordnung an der Haltestelle sorgen. Mit DisziplinProblemen setzt er sich persönlich auseinander: „Die Schüler wissen, dass es gleich zum Chef geht, wenn sie sich an der Haltestelle nicht richtig benehmen“, sagt er.
In Neusäß erklärt Simon Huber die Lage der Schulen, für die er zuständig ist: „Die Polizei hat sich die Situation vor Ort angesehen und befunden, dass es an den Bushaltestellen keine besonderen Gefahren gibt.“Er argumentiert, dass jeder Schüler, dessen Schulweg kürzer als zwei Kilometer sei, diesen auch selbst bewältigen müsse. „Ich glaube nicht, dass Schüler an der Bushaltestelle einem höheren Risiko ausgesetzt sind, als diejenigen, die nach Hause laufen“, betont Huber.
Trotzdem beschloss der Kulturausschuss, Freiwillige, welche die Aufgabe übernehmen wollen, mit einer Unkostenpauschale von 10,23 Euro pro Stunde zu unterstützen. „Diese Regelung ist dieselbe, wie bei den freiwilligen Schulweghelfern“, erklärt Huber.