Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Endet nach dem Unterricht die Verantwort­ung?

Sicherheit Für die Betreuung von Schülern an der Bushaltest­elle fühlen sich weder Stadt noch Schule zuständig. Aber ist eine Aufsicht überhaupt notwendig?

- VON TOBIAS KARRER UND THOMAS HACK

Ein Bus rollt auf eine Haltestell­e voller tobender Kinder zu. Eltern und Lehrern, die eine derartige Situation beobachten, schlägt der Puls höher. Was, wenn ein Kind ein anderes auf die Straße schubst? Wenn beim Fangenspie­len der einzige Fluchtweg direkt vor den Bus führt?

In den Grundschul­en in Neusäß und Steppach gab es bisher eine gute Lösung: Der Hausmeiste­r übernahm auch nach Unterricht­sschluss die Aufsicht an der Bushaltest­elle und sorgte für Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Doch aufgrund strukturel­ler Änderungen konnte diese ehrenamtli­che Betreuung nicht mehr aufrecht erhalten werden: „Die Betreuung an der Bushaltest­elle ist offiziell weder Aufgabe der Lehrer, noch des Hausmeiste­rs“, sagt die Schulleite­rin der Steppacher Grundschul­e, Britta Mahler. In ihrer Schule werden die Kinder im Gebäude beaufsicht­igt und dann rechtzeiti­g zum Bus gebracht.

In Westheim übernehmen jetzt die Lehrer die Aufsicht an der Haltestell­e. Rektor Richard Sailer findet die Betreuung an der Haltestell­e notwendig. Aber die Frage ist: Wer ist verantwort­lich? Die Schulleitu­ngen sehen die Stadtverwa­ltung in der Pflicht, neue Aufsichtsp­ersonen an den betreffend­en Haltestell­en bereit zu stellen. Simon Huber, der stellvertr­etende Amtsleiter der Schulverwa­ltung in Neusäß sagt: „Die Stadt ist zuständig für die Beförderun­g der Kinder, die Sicherheit an der Bushaltest­elle gehört allerdings nicht zum Aufgabenbe­reich der Stadt.“Doch Grundschul­e und Lehrer sind nur auf dem Schulgelän­de und zu regulären Unterricht­szeiten verantwort­lich.

Da sich keine Einigung der beiden Parteien abzeichnet­e, wurden nun seitens der Kommune mehrere Fachgutach­ten eingeholt. So sieht das Kultusmini­sterium keinen Handlungsz­wang für die Stadt. Eine kommunale Aufsichtsp­flicht bestünde nur bis zu 15 Minuten nach Unterricht­sschluss bzw. bis die Schüler das Schulgelän­de verlassen haben. Wartezeite­n an Bushaltest­ellen seien dabei nicht mit einbezogen. Danach gehe laut dem Ministeriu­m die Haftung auf die Erziehungs­berechtigt­en über.

Auch der Bayerische Gemeindeta­g habe eine Aufsichtsp­flicht der Stadt verneint.

Die Befragung von Polizei und Landratsam­t ergab: Aus polizeilic­her Sicht gibt es keinen zwingenden Grund für die Busaufsich­t. Sie ist also nicht unbedingt notwendig, trotzdem würde das Landratsam­t eine Aufsicht am Busparkpla­tz begrüßen. Rektorin Mahler sieht das ähnlich: „Das sind doch zwei Paar Schuhe – kann sich die Stadt denn aus der Verantwort­ung nehmen, auch wenn es keinen rechtlich zwingenden Grund gibt?“

Auch der Leiter der Grund- und Mittelschu­le in Zusmarshau­sen findet: „Obwohl eigentlich die Gemeinde für den Busverkehr zuständig ist, muss ich mich um die Sicherheit an der Bushaltest­elle kümmern.“An seiner Schule kommen und gehen jeden Tag an die 300 Schüler mit dem Schulbus. „Bei dieser großen Menge muss einfach alles funktionie­ren“, betont er. Deshalb gibt es an seiner Schule „Buslotsen“, ältere Schüler aus Mittel- und Realschule, die von der Polizei ausgebilde­t werden und für Ordnung an der Haltestell­e sorgen. Mit DisziplinP­roblemen setzt er sich persönlich auseinande­r: „Die Schüler wissen, dass es gleich zum Chef geht, wenn sie sich an der Haltestell­e nicht richtig benehmen“, sagt er.

In Neusäß erklärt Simon Huber die Lage der Schulen, für die er zuständig ist: „Die Polizei hat sich die Situation vor Ort angesehen und befunden, dass es an den Bushaltest­ellen keine besonderen Gefahren gibt.“Er argumentie­rt, dass jeder Schüler, dessen Schulweg kürzer als zwei Kilometer sei, diesen auch selbst bewältigen müsse. „Ich glaube nicht, dass Schüler an der Bushaltest­elle einem höheren Risiko ausgesetzt sind, als diejenigen, die nach Hause laufen“, betont Huber.

Trotzdem beschloss der Kulturauss­chuss, Freiwillig­e, welche die Aufgabe übernehmen wollen, mit einer Unkostenpa­uschale von 10,23 Euro pro Stunde zu unterstütz­en. „Diese Regelung ist dieselbe, wie bei den freiwillig­en Schulweghe­lfern“, erklärt Huber.

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