Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Von Gersthofen zur Garden Route nach Südafrika

Auswandere­r Mario und Regina Gremes leben seit sechs Jahren am Kap. Hier erzählen sie, wie sich ihr Leben geändert hat – und was gleich geblieben ist

- VON SVEN KOUKAL

Seit sechs Jahren lebt Mario Gremes mit seiner Frau Regina im südafrikan­ischen Küstenort Wilderness, 400 Kilometer westlich von Kapstadt. Jahrelang pendelte der Unternehme­r aus dem Gersthofer Stadtteil Hirblingen zwischen Schwaben und dem Kap.

Er sei viel beschäftig­t, sagt Gremes. In Südafrika verdiene er sein Geld auf verschiede­ne, aus deutscher Sicht fast exotische Weise. Nach eigenen Angaben handelt er mit Antiquität­en, vermietet Ferienwohn­ungen an Touristen, ist in der Photovolta­ik-Branche tätig sowie an einer Straußenfa­rm beteiligt.

Trotz der zahlreiche­n Geschäftsf­elder nimmt sich der 69-Jährige mit seiner Frau Zeit für die Kinder im 6000-Einwohner-Ort. In Thembaleth­u, einem Township westlich von Wilderness, wurden sie mit Armut und Perspektiv­losigkeit konfrontie­rt. Der Zustand des Kindergart­ens ließ ihnen keine Ruhe. Der Landbote berichtete damals über die Anfänge der Unterstütz­ung, etwa als den Kindern und Eltern erste gesammelte Spenden zukamen.

Mittlerwei­le hat sich Gremes mit dem Priester des Townships geeinigt, nur noch Sachspende­n anzunehmen. „Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass das Geld nicht bei den Kindern landet“, betont Gremes. Sowohl vor Ort als auch durch seine Gäste aus Deutschlan­d sammelt er ausrangier­te Möbel, gebrauchte Kleidung und Schulbüche­r. Seit nunmehr 16 Jahren betreut das Ehepaar den Kindergart­en, in dem zwei Erzieherin­nen arbeiten.

„Der persönlich­e Kontakt während der Übergabe von Spenden ist jedes Mal sehr bewegend“, sagt Gremes.

Zweimal im Jahr lädt das Ehepaar eigenen Aussagen zufolge alle Kinder im Ort für einen Nachmittag ins Strandhäus­chen ein. Der 69-Jährige wuchs selbst in ärmlichen Verhältnis­sen auf. „Ich liebe es zu geben“, er. Schon immer habe er ein Helfersynd­rom gehabt.

Das bestätigt Sohn Sven Gremes, der mit seiner Schwester Tina noch immer in Hirblingen in dem Haus wohnt, das der Vater vor der Aus- dort baute. „Er hat schon immer Freunden geholfen, denen es schlecht ging, die keine Arbeit oder kein Zuhause hatten“, sagt Sven Gremes.

Doch wieso engagiert sich Gresagt mes in Südafrika? Den Drang in die weite Welt verspürte der 69-Jährige spätestens nach seiner Bäcker-Ausbildung in Augsburg. Glücklich sei er in dem Beruf nicht geworden, sagt er. Sein Freund Eduard Kaufwander­ung mann, damals Betreiber eines Wirtshause­s in Augsburg und selbst fünf Jahre zur See gefahren, machte ihn auf eine freie Stelle in der Reederei Deutsche-Shell-AG in Hamburg aufmerksam.

Im Frühjahr 1971 brach er mit Taschengel­d vom Großvater nach Hamburg auf, heuerte als Kochsmaat an. Über Hamburg ging es nach Rotterdam, Trinidad und Tobago, Venezuela, die Niederländ­ischen Antillen, Brasilien, Panama und Costa Rica. An Südafrika fuhr das Schiff lediglich vorbei, machte keinen Halt.

Nach dem „ersten Abenteuer“, wie er es nennt, wollte Gremes als zweiter Steward, also Servicekra­ft, mit der Hamburger Reederei Laisz in See stechen. Am letzten Wochenende vor der Fahrt lernte er in der Augustus-Weinstube seine zukünftige Frau Regina kennen, die auf einem Einsiedler­hof bei Pöttmes lebte. Für sie brach er die geplante Reise ab. Sie zogen in Augsburg zusammen, sind nun seit 44 Jahren verheirate­t.

Im Januar 2001 verwirklic­hte sich Gremes seinen Lebenstrau­m, einmal Kapstadt zu sehen. Die Stadt und die lebendige Natur begeistert­en ihn. Am dritten Tag fuhr er mit dem Leihwagen die Garden-Route entlang: Die Nationalst­raße N2 verbindet in malerische­r Kulisse Kapstadt im Westen mit Port Elizabeth im Osten. Auf halbem Weg verliebte sich Gremes in den Küstenort Wilderness: „Eine kleine Traumstadt direkt vor dem Indischen Ozean. Hier will ich bleiben.“

Zwei Tage später kaufte Gremes ein Haus, 200 Meter vom Strand entfernt. Mittlerwei­le gehört ihm nach eigenen Angaben ein zweites Haus, ein Apartment sowie zwei Hütten.

„Wenn ich Luft habe, dann folgen noch zwei große Wohnungen“, sagt er. Diese möchte er an deutsche Urlauber, vornehmlic­h Senioren vermieten – und so etwas von seinem Lebensglüc­k weitergebe­n und teilen.

Das Ehepaar betreut den Kindergart­en seit 16 Jahren 2001 ist er zum ersten Mal in Südafrika

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Mario und Regina Gremes fühlen sich in ihrer neuen Wahlheimat Südafrika wohl. Seit nunmehr sechs Jahren leben sie dort. In ih rer Freizeit engagieren sie sich im örtlichen Kindergart­en.
Foto: Marcus Merk Mario und Regina Gremes fühlen sich in ihrer neuen Wahlheimat Südafrika wohl. Seit nunmehr sechs Jahren leben sie dort. In ih rer Freizeit engagieren sie sich im örtlichen Kindergart­en.

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