Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Eine Reise in die Lutherzeit
Kirche Pfarrer Uwe Lang gibt einen Einblick in die Situation vor 500 Jahren. Was er sich vom Jubiläumsjahr erhofft
Das Jahr 1517 war nicht nur das Jahr, in dem Luther seine 95 Thesen veröffentlichte, in München war auch die Pest zu Ende, und der ganze Zürichsee war zugefroren. Darauf wies Dieter Mittermaier hin, als er den Referenten Pfarrer Uwe Lang begrüßte. Dieser gab in seinem Vortrag in Dinkelscherben zunächst einen Überblick über die historische Situation in Deutschland. Er wollte aufzeigen, wie die Menschen Anfang des 16. Jahrhunderts lebten, wie sich die Rechtsprechung gestaltete, und vor allem, wie sich die Situation der Kirche darstellte.
In der damaligen Zeit begannen in der Kirche materielle Werte eine immer stärkere Position einzunehmen, was schließlich auch den Ablasshandel zur Folge hatte. Die Zuhörer in der Bücherei waren sehr erstaunt, als sie erfuhren, dass manch eine Reliquie einen Ablasswert von 100 Jahren hatte.
Nicht zuletzt diese Auswüchse und die damit einhergehende Verweltlichung der Kirche führten schließlich dazu, dass Luther seine 95 Thesen veröffentlichte. Statt „Segen“, wie ihn Luther erhoffte, kamen jedoch „Blitz und Donner“aus Rom.
Kritisch sei auch die Haltung Luthers gegenüber den aufständischen Bauern zu sehen, sagte Lang. Was die Stellung der Frau betraf, so war Luther der Meinung, dass alles, was über den Haushalt hinausgehe, nicht ihr Bereich sei. In der Erziehung war er der Überzeugung, dass Eltern ihre Kinder durchaus schlagen sollten, um ihnen Anstand beizubringen, denn sonst werden sie „nur Fresser und Sauferkel, die nach dem Futter trachteten“.
Was die Grundeinstellung des Reformators betraf, so würde man ihn nach Meinung von Pfarrer Lang heute zu den „Fundamentalisten“zählen. So glaubte er fest daran, dass sich die Erde im Mittelpunkt des Weltalls stehe, zweifelte nicht an der Schöpfungsgeschichte, hielt an seiner Abendmahlauffassung fest und bekannte sich zur Hexenverbrennung. Dies alles tritt jedoch hinter dem zurück, was Luther geleistet hat. Seine Absicht war nicht eine Spaltung, sondern eine „überfällige Veränderung“der katholischen Kirche. Durch die Übersetzung der Bibel ins Deutsche war er der Wegbereiter ins Neuhochdeutsche. Heute, im Jubiläumsjahr, will man „versöhnen statt spalten“, erklärte Pfarrer Lang und er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass sich der Annäherungsprozess zwischen katholischer und evangelischer Kirche kontinuierlich entwickeln und Vorbehalte beziehungsweise dogmatische Einstellungen auf beiden Seiten überwunden werden sollten.