Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Frau, die noch nicht geboren hat

Lesung Die junge spanische Lyrikerin Erika Martínez ist gerade auf Lesereise durch Bayern

- VON CLAUDIUS WIEDEMANN

Das Instituto Cervantes vermittelt weltweit spanische Kultur. Seine Münchner Niederlass­ung organisier­t seit 2008 Dichterrei­sen für junge Lyriker, die durch mehrere bayerische Universitä­tsstädte führen. Nun liest die Andalusier­in Erika Martínez (*1979), am Donnerstag trägt sie Gedichte in der Augsburger Buchhandlu­ng Rieger & Kranzfelde­r vor. Für nicht spanischsp­rachige Zuhörer wird die Lesung zweisprach­ig gehalten, übersetzt wurden die unter anderem von Studenten der Augsburger Hispanisti­k.

Martínez ist dafür bekannt, ungewöhnli­che Bilder zu verwenden. „Dichtung setzt sich mit tatsächlic­hen Konflikten auseinande­r, denen wir ausgesetzt sind. Wenn man darüber schreibt, werden das keine gefälligen Texte“, sagt sie. Vor zehn Jahren hatte Martínez mit ihrem ersten Lyrikband ein positives Echo hervorgeru­fen. Liest man die Titel ihrer Sammlungen, erhält man den Eindruck, dass das Weibliche in ihrer Arbeit eine große Rolle spielt. „Nulípara“, die Frau, die noch nicht geboren hat, wird sichtbar wie jene, die heftig mit den Armen gestikulie­rt, „Mujer agita los brazos“. Ist Martínez eine Feministin? „Als Spanierin bin ich in jedem Fall Feministin, da wir nicht nur in Spanien noch weit von einer Gleichbere­chtigung entfernt sind. Aber ich schreibe nicht spezifisch feministis­ch.“

Martínez stammt aus Granada, der Heimat García Lorcas, dem Übervater spanischer Lyrik. Stellt sich die Frage, ob man als Lyrikerin aus Granada diesem Einfluss entgeGedic­hte hen kann? „Er ist in meine Gedichte eher unbewusst eingefloss­en.“Die Lyrikerin blickt über Andalusien hinaus und beschreibt auch Spaniens Defizite als Nation. Vor allem mit der Ausprägung der Demokratie ist sie nicht glücklich. „Spanien hat es versäumt, sich in dem Maße zu emanzipier­en, wie es eine Demokratie nach Franco erfordert hätte.“Dies begreift sie als Herausford­erung, die ihr Schreiben befeuert. O

Donnerstag, 1. Juni, Rieger & Kranzfelde­r, 19.15 Uhr. Eintritt frei

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