Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zen Priester muss auf die Anklagebank
Justiz Der Mann soll Buben missbraucht und Aufnahmen gemacht haben. Die Verhandlung mit mehr als 40 Zeugen beginnt Mitte Juni
Er sitzt seit fast einem Jahr in Untersuchungshaft. Am 16. Juni soll er die JVA in Gablingen verlassen – und auf der Anklagebank der Jugendkammer des Landgerichts in Augsburg Platz nehmen. An diesem Freitag nach Fronleichnam beginnt die strafrechtliche Aufarbeitung eines Falles, der im Raum Augsburg viele aufgewühlt hat – und das hat vor allem mit der Person des Angeklagten zu tun.
Der 62-jährige spirituelle Leiter einer buddhistisch orientierten Gemeinschaft mit Sitz im westlichen Landkreis Augsburg soll in 22 Fällen Buben missbraucht und dabei in etlichen Fällen auch pornografische Aufnahmen angefertigt haben.
Das Verfahren unter der Leitung des Vorsitzenden Richters Lenart Hoesch wird aller Voraussicht nach umfangreich: Es sind über 40 Zeugen und zwei Sachverständige geladen, derzeit sind 13 Verhandlungstage anberaumt. Mit Spannung wird erwartet, inwieweit sich der Angeklagte äußern wird. Sein Verteidiger Prof. Hermann Kühn aus Augsburg glaubt daran: „Ich denke, dass er aussagen wird.“Näher auf den Fall wollte der Rechtsanwalt vor Beginn des Prozesses nicht eingehen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat der Angeklagte, der gesundheitlich angeschlagen sein soll, die Vorwürfe teilweise eingeräumt.
Die Eltern eines der mutmaßlichen Opfer hatten den Stein ins Rollen gebracht: Sie zeigten im Juli 2016 den Zen-Priester aus dem westlichen Landkreis Augsburg an, weil er ihren Sohn sexuell missbraucht haben soll. Wie sich im Lauf der Ermittlungen herausstellte, war der Bub mutmaßlich nicht das einzige Opfer. Zwischen den Jahren 2005 und 2015 soll der Angeklagte an Buben sexuelle Handlungen vorgenommen und Bild- und Filmaufnahmen von ihnen gemacht haben. Die Buben waren zur Tatzeit zwischen vier und 13 Jahre alt. Außerdem soll der 62-Jährige kinder- und jugendpornografische Schriften besessen haben: Bei ihm wurden knapp 2000 Bild- und Videodateien mit pornografischen Darstellungen von Kindern und über 800 Dateien von Jugendlichen sichergestellt.
In seinem Umfeld lösten die Vorwürfe Fassungslosigkeit aus. Dort genoss der Mann als Zen-Priester, als ehemaliger Polizist, als Familienvater und Flüchtlingshelfer hohes Ansehen. In Augsburg war der 62-Jährige als regelmäßiger Teilnehmer am „Runden Tisch der Religionen“bekannt.
Er war auch Teilnehmer an Reisen der Augsburger Stadtspitze nach Asien. In Südkorea wurde die Stadt auf Vermittlung des 62-Jährigen vor einigen Jahren sogar mit einem buddhistischen Friedenspreis geehrt.