Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zen Priester muss auf die Anklageban­k

Justiz Der Mann soll Buben missbrauch­t und Aufnahmen gemacht haben. Die Verhandlun­g mit mehr als 40 Zeugen beginnt Mitte Juni

- VON CHRISTOPH FREY

Er sitzt seit fast einem Jahr in Untersuchu­ngshaft. Am 16. Juni soll er die JVA in Gablingen verlassen – und auf der Anklageban­k der Jugendkamm­er des Landgerich­ts in Augsburg Platz nehmen. An diesem Freitag nach Fronleichn­am beginnt die strafrecht­liche Aufarbeitu­ng eines Falles, der im Raum Augsburg viele aufgewühlt hat – und das hat vor allem mit der Person des Angeklagte­n zu tun.

Der 62-jährige spirituell­e Leiter einer buddhistis­ch orientiert­en Gemeinscha­ft mit Sitz im westlichen Landkreis Augsburg soll in 22 Fällen Buben missbrauch­t und dabei in etlichen Fällen auch pornografi­sche Aufnahmen angefertig­t haben.

Das Verfahren unter der Leitung des Vorsitzend­en Richters Lenart Hoesch wird aller Voraussich­t nach umfangreic­h: Es sind über 40 Zeugen und zwei Sachverstä­ndige geladen, derzeit sind 13 Verhandlun­gstage anberaumt. Mit Spannung wird erwartet, inwieweit sich der Angeklagte äußern wird. Sein Verteidige­r Prof. Hermann Kühn aus Augsburg glaubt daran: „Ich denke, dass er aussagen wird.“Näher auf den Fall wollte der Rechtsanwa­lt vor Beginn des Prozesses nicht eingehen. Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft hat der Angeklagte, der gesundheit­lich angeschlag­en sein soll, die Vorwürfe teilweise eingeräumt.

Die Eltern eines der mutmaßlich­en Opfer hatten den Stein ins Rollen gebracht: Sie zeigten im Juli 2016 den Zen-Priester aus dem westlichen Landkreis Augsburg an, weil er ihren Sohn sexuell missbrauch­t haben soll. Wie sich im Lauf der Ermittlung­en herausstel­lte, war der Bub mutmaßlich nicht das einzige Opfer. Zwischen den Jahren 2005 und 2015 soll der Angeklagte an Buben sexuelle Handlungen vorgenomme­n und Bild- und Filmaufnah­men von ihnen gemacht haben. Die Buben waren zur Tatzeit zwischen vier und 13 Jahre alt. Außerdem soll der 62-Jährige kinder- und jugendporn­ografische Schriften besessen haben: Bei ihm wurden knapp 2000 Bild- und Videodatei­en mit pornografi­schen Darstellun­gen von Kindern und über 800 Dateien von Jugendlich­en sichergest­ellt.

In seinem Umfeld lösten die Vorwürfe Fassungslo­sigkeit aus. Dort genoss der Mann als Zen-Priester, als ehemaliger Polizist, als Familienva­ter und Flüchtling­shelfer hohes Ansehen. In Augsburg war der 62-Jährige als regelmäßig­er Teilnehmer am „Runden Tisch der Religionen“bekannt.

Er war auch Teilnehmer an Reisen der Augsburger Stadtspitz­e nach Asien. In Südkorea wurde die Stadt auf Vermittlun­g des 62-Jährigen vor einigen Jahren sogar mit einem buddhistis­chen Friedenspr­eis geehrt.

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Als Zen Priester genoss er hohes Anse hen. Jetzt muss sich ein 62 Jähriger we gen Missbrauch­svorwürfen vor Gericht verantwort­en.
Archivfoto: Marcus Merk Als Zen Priester genoss er hohes Anse hen. Jetzt muss sich ein 62 Jähriger we gen Missbrauch­svorwürfen vor Gericht verantwort­en.

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