Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Sanitäter wollen helfen – und werden angegriffe­n

Gericht Ein Neusässer wird verurteilt, weil er Retter beleidigt und zugeschlag­en hat. Das Opfer sagt: So etwas passiert immer häufiger

- VON MANUELA BAUER

Ein 29-Jähriger ist betrunken, verliert mehrmals das Bewusstsei­n. Seine Freunde wählen den Notruf. Die Rettungssa­nitäter wollen dem Neusässer helfen – doch stattdesse­n werden sie angegriffe­n, beleidigt, fast verletzt. Der junge Mann musste sich deshalb gestern vor dem Augsburger Amtsgerich­t verantwort­en und wurde verurteilt.

Wie war es so weit gekommen? Der Angeklagte entschuldi­gt sich in der Verhandlun­g mehrmals für seinen Angriff. Er sagt, er könne sich kaum mehr erinnern und auch nicht erklären, warum er so ausgeflipp­t war. Er habe zwei Tage lang nichts gegessen und dann sehr viel getrunken – Wodka pur. „Aber ich bin eigentlich kein aggressive­r Mensch.“Er hatte in jener Nacht etwa ein Promille. Mithilfe der Zeugen konnte das Gericht den Vorfall großteils rekonstrui­eren. Demnach ist Folgendes passiert: An einem Mittwoch im Februar wurde der Rettungsdi­enst gegen 4 Uhr nachts in die Wohnung des 29-Jährigen nach Neusäß gerufen. Seine zwei Freunde berichtete­n, er sei dreimal bewusstlos gewesen. Er habe dem Angeklagte­n angeboten, ihn zur Überwachun­g mit ins Krankenhau­s zu nehmen, aber habe er abgelehnt, berichtet der Rettungsas­sistent als Zeuge. Kaum waren die Sanitäter aber zurück in der Wache, kam der nächste Alarm: Der 29-Jährige sei wieder bewusstlos. Also fuhren sie zurück und holten auch den Notarzt dazu.

Bei der Übergabe eskalierte die Situation dann: Der Sanitäter berichtete dem Notarzt, was bisher passiert war – und erwähnte dabei auch, dass einer der Kumpel davon gesprochen hatte, sein Freund habe wahrschein­lich Drogen genommen. Da tickte der Angeklagte aus, beschimpft­e die beiden drei Retter mit wüsten Ausdrücken und versuchte den einen Sanitäter zu schlagen. Der 42-Jährige konnten sich noch rechtzeiti­g wegducken, sodass die Faust ihn verfehlte. Doch das reichte für eine Anklage wegen versuchter Körperverl­etzung und Beleidigun­g.

Vor Gericht sagt der Rettungsas­sistent: „Wir waren freundlich, wir waren da, um zu helfen.“Und betont, dass dieser Angriff auf Retter kein Einzelfall war: „Das wird in letzter Zeit immer mehr.“Erst vor zwei Wochen hat es in Gersthofen zwei ähnliche Vorfälle gegeben, bei denen Sanitäter bespuckt und ein Polizist verletzt wurden. Künftig können solche Angriffe auf Polizisten, Rettungskr­äfte und Feuerwehrl­eute härter bestraft werden. Mitte Mai hat der Bundesrat dieser Gesetzesän­derung zugestimmt. Nun drohen für solche Attacken bis zu fünf Jahre Haft.

Der Neusässer kam gestern noch mit einer Geldstrafe davon. „Aber nur ganz knapp“, betont Richter Fabian Espenschie­d. Denn der 29-Jährige hat schon fünf Vorstrafen, unter anderem wurde er schon einmal wegen eines ähnlichen Delikts, nämlich Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte und Beleidigun­g, verurteilt. Staatsanwa­lt Martin Neumann plädiert deshalb für eine Haftstrafe auf Bewährung. Der Richter entscheide­t dagegen für eine Geldstrafe von 1950 Euro (130 Tagessätze­n à 15 Euro) und mahnt: „Das nächste Mal wird es sicher nicht mehr mit einer Geldstrafe ausgehen. Reißen Sie sich also am Riemen.“In seiner Urteilsbeg­ründung macht er klar, dass Angriffe gegen Retter gar nicht gehen: „Die haben wirklich Besseres zu tun, als sich um 4 Uhr morgens noch beleidigen und schlagen zu lassen, wenn sie helfen wollen.“

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