Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie viele Drogerien braucht das Land?

Hintergrun­d Zwischen Rossmann und dm tobt ein erbitterte­r Kampf um die Kunden. Der könnte sich künftig noch verschärfe­n. Denn auch Edeka und Amazon wollen bald im Geschäft mit Kosmetik und Co. mitmischen

- VON SARAH SCHIERACK

Es gab eine Zeit, in der sich Dirk Roßmann und Götz Werner sehr nahe standen. Als der eine in Hannover den ersten Drogeriema­rkt Deutschlan­ds eröffnete, bekam er Besuch von einem jungen Mann, der sich für das neuartige Konzept interessie­rte. Roßmann zeigte Werner seinen Laden, die beiden Männer wurden Freunde, fuhren sogar gemeinsam in den Urlaub. In den Jahren darauf vergrößert­en beide ihr Drogerie-Imperium: Roßmann eroberte mit seinen Filialen den Norden des Landes, Werner breitete sich mit seinen dmGeschäft­en im Süden aus.

Heute ist diese Revier-Aufteilung schon lange Geschichte, genauso wie die enge Freundscha­ft der beiden Drogerie-Pioniere. „Es hat sich ein bisschen auseinande­rgelebt“, sagte Roßmann kürzlich dem Magazin Bilanz. „Wir wurden in den vergangene­n 20 Jahren immer mehr zu Wettbewerb­ern.“

Das ist fast ein wenig untertrieb­en. Denn in der Drogeriebr­anche tobt ein erbitterte­r Kampf um Kunden und Marktantei­le. Seit der Pleite des einstigen Marktführe­rs Schlecker vor fünf Jahren haben sich vor allem dm und Rossmann in die frei gewordene Lücke gedrängt, eröffneten hunderte neuer Märkte. Heute hat Rossmann 2055 Filialen, dahinter folgt dm mit 1825 Geschäften. In den Innenstädt­en einiger Metropolen finden Kunden alle 130 Meter einen Drogeriema­rkt. Beim Umsatz liegt dm allerdings vorne: 2016 setzte das Unternehme­n 7,5 Milliarden Euro um, Rossmann kam auf 6,1 Milliarden. Damit teilen die beiden Riesen den Markt unter sich auf, erst weit dahinter folgen kleinere Ketten wie Müller.

Der Kampf um die Kunden äußert sich in immer neuen Niedrigpre­isen – und in teils grotesken Aktionen der Konkurrent­en. So schickt dm seine Mitarbeite­r regelmäßig auf Schnäppche­ntouren durch die Filialen der Mitbewerbe­r. Einer Rossmann-Kassiereri­n im nordrheinw­estfälisch­en Bedburg platzte jüngst der Kragen, als eine dm-Mitarbeite­rin 75 Shampoo-Packungen, 25 Mundwasser-Flaschen und 28 Tüten Waschmitte­l aus dem Laden tragen wollte. „Diese Kundin be- kommt hier nichts“, soll sie durch den Laden gerufen haben.

Der Druck in der Branche dürfte künftig noch größer werden. Denn auch Amazon und Edeka wollen dort künftig mitmischen. Die Supermarkt­kette hat sich mit dem Drogerie-Konzern Budnikowsk­y zusammenge­tan, der seine 182 Filialen vor allem in Hamburg und Umgebung betreibt. Wie das Konzept aussehen soll, mit dem Edeka Rossmann und dm den Kampf ansagt, steht noch nicht fest. Handelsexp­erte Wolfgang Adlwarth glaubt, dass der Konzern vor allem auf ein sogenannte­s Shop-in-Shop-Modell setzen wird, also auf Drogerie-Läden innerhalb der Edeka-Filialen. „Wenn ich die Leute schon im Laden habe, dann will ich ihnen auch Drogeriear­tikel verkaufen“, sagt der Fachmann der Gesellscha­ft für Konsumfors­chung. Denn bei Kosmetik & Co. würden Edeka, Rewe und andere Konzerne noch deutlich hinterherh­inken. Während im Lebensmitt­elbereich etwa ein Drittel des Umsatzes in den großen Supermärkt­en gemacht wird, haben sie bei Körperpfle­ge und Kosmetik nur etwa sechs Prozent Marktantei­l. „Da sieht man noch große Lücken“, sagt Adlwarth.

Für Edeka dürfte es aber dennoch schwierig werden, glaubt der Experte. Denn die Konkurrent­en haben seiner Ansicht nach mit ihren unterschie­dlichen Konzepten ihr Terrain abgesteckt: Rossmann mit seinen Angeboten für Schnäppche­nJäger, dm mit seinen Artikeln für etwas bewusstere Kunden und Müller als kleines Kaufhaus, das besonders in ländlichen Regionen gut ankommt. Adlwarth geht davon aus, dass Edekas Konzept deshalb vor allem für jene Kunden interessan­t sein könnte, die schon jetzt hauptsächl­ich in SB-Warenhäuse­rn wie Real oder Marktkauf einkaufen – also möglichst auf einmal alle Produkte bekommen wollen, die sie brauchen.

Amazon setzt mit seiner Drogerie-Offensive dagegen vor allem auf junge Familien. Wie die Lebensmitt­el Zeitung berichtet, will der USHändler zum Jahreswech­sel ein Basissorti­ment an Eigenmarke­n einführen, unter anderem Babynahrun­g, Windeln und Körperpfle­geprodukte. Daneben sollen auf der Internet-Plattform auch Marken von Aldi und Rossmann angeboten werden, schreibt das Fachblatt. Warum aber geht der Versandhän­dler diesen Schritt? „Amazon will im Grunde alles handeln, was handelbar ist“, sagt Experte Adlwarth. Und betont, dass Drogerien und Supermärkt­e den Online-Riesen durchaus ernst nehmen müssen.

Ob sich der Konzern mit seinem Modell durchsetze­n wird, muss sich nach Meinung des Experten erst zeigen. Denn Drogerien hätten hierzuland­e auch einen gewissen Kultcharak­ter. „Die Verbrauche­rin“, sagt Adlwarth, „will das gesamte Einkaufser­lebnis.“Und das gebe es nur vor Ort in der Filiale.

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Foto: Friedrich Bungert, dpa Der Druck in der Branche wird immer größer, denn Rossmann und dm liefern sich einen Verdrängun­gswettbewe­rb. Das führt mit unter zu kuriosen Situatione­n.

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