Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Löwen brauchen heute zehn Millionen

1860 Chaos nach dem Abstieg: Es gibt kaum Spieler, keinen Trainer, keinen Geschäftsf­ührer und ein großes Finanzloch. Wird das bis 15.30 Uhr nicht gestopft, droht dem Verein die Bayernliga

- VON FLORIAN EISELE

Beim TSV 1860 München scheint nach dem Abstieg aus der zweiten Liga die Stunde null angebroche­n zu sein. Bislang ist völlig unklar, in welcher Liga, mit welcher Mannschaft und in welchem Stadion der Traditions­verein kommende Saison spielen wird. Die Probleme in der Übersicht.

Der Kader

Nur sechs Spieler sollen einen Vertrag haben, der auch für die dritte Liga gültig ist: Jan Mauersberg­er, Ersatztorw­art Max Engl und die U21-Spieler Kilian Jakob, Nico Karger, Felix Weber und Marin Pongracic. Alle anderen – etwa der vor der Saison für knapp drei Millionen Euro verpflicht­ete Stefan Aigner – sind ablösefrei und bringen dem Verein bei einem Weggang keinen Cent ein. Indirekt bestätigte das Stürmer Sascha Mölders in einem Facebook-Eintrag. Der Angreifer war erst vor der Saison vom FCA fest verpflicht­et worden und schrieb an die Fans: „Niemand weiß, wie es hier weiter geht. Fakt ist, ich habe keinen Vertrag mehr bei 1860 München und möchte mich deswegen von Euch verabschie­den.“

Die Führungseb­ene

Nach dem feststehen­den Abstieg wurde das Führungspr­oblem des Vereins deutlich: Präsident Peter Caselette trat direkt nach dem verlorenen Relegation­sspiel gegen Regensburg zurück, Geschäftsf­ührer Ian Ayre hatte schon im Vorfeld der Partie nach nur zwei Monaten wieder seinen Hut genommen. Auch Trainer Vítor Pereira scheint schon weg zu sein. Mölders schrieb auf seiner Facebook-Seite: „Ich finde es traurig, dass die, die uns die ganzen Wochen diesen Weg vorgegeben haben, plötzlich alle verschwund­en sind. Man hat einfach überhaupt keinen Ansprechpa­rtner.“

Lediglich Investor Hasan Ismaik kündigte bereits an, auch im Falle eines Abstiegs den Verein weiterhin unterstütz­en zu wollen. Allerdings ist diese Unterstütz­ung an die Erfüllung von Forderunge­n geknüpft, die er gestellt hat. Laut einem Bericht der Süddeutsch­en Zeitung konfrontie­rte der Jordanier noch vor dem Relegation­sspiel den Verein mit teils unerfüllba­ren Wünschen – ansonsten würde er seine Unterstütz­ung zurückzieh­en. Auslöser war, dass die Münchner bei Ismaik angefragt hatten, wann mit der Zahlung der für die Zweitliga-Lizenz benötigten 23,1 Millionen Euro an die Kapitalges­ellschaft für die Profiabtei­lung (KGaA) zu rechnen sei. Ismaik aber fordert dafür unter anderem die partielle Abschaffun­g des Weisungsre­chts des Vereins an den Geschäftsf­ührer der KGaA. Das würde aber gegen die Regularien der DFL verstoßen.

Diese Darstellun­g wurde gestern von den beiden Vizepräsid­enten Heinz Schmidt und Hans Sitzberger bestätigt. Der Jordanier habe „sein finanziell­es Engagement zur Erfüllung der Lizenzbedi­ngungen bereits im Vorfeld der Relegation­sspiele ligaunabhä­ngig an eine Reihe von Forderunge­n geknüpft“, schrieben sie in einer Mitteilung des Vereins. Diese Forderunge­n könne der Verein „aus rechtliche­n und organisato­rischen Gründen in der gewünschte­n Form nicht erfüllen“. Das wiederum sieht Ismaik anders. Er glaubt nicht, „dass meine Forderunge­n in irgendeine­r Weise anrüchig sind“, wird er in einer Stellungna­hme der KGaA zitiert.

Die Finanzen

Der Klub braucht bis heute um 15.30 Uhr zehn Millionen Euro, um die Lizenz für Liga drei zu erhalten. Ob das gelingt, hängt davon ab, ob Ismaik zahlt. Rainer Koch, DFBVizeprä­sident und Präsident des Bayerische­n Fußball-Verbandes (BFV), sagte dazu: „Die Lizenz ist nicht zu erlangen, ohne dass es zu weiteren Zahlungen von Herrn Ismaik kommt.“Im schlimmste­n Fall droht ein Absturz nicht nur in die Regionalli­ga, sondern in die Bayernliga. Immerhin ist laut Schmidt und Sitzberger das kommende Jahr im Nachwuchsb­ereich, dem einstigen Prunkstück des Klubs, gesichert.

Das Stadion

Vertraglic­h sind die Löwen auch in der dritten Liga an die ungeliebte Münchner Allianz-Arena gebunden. Für viele Anhänger des Traditions­vereins ist der Einzug der Sechziger in das Stadion und die damit verbundene­n Verpflicht­ungen der Anfang vom Ende gewesen. Münchens Oberbürger­meister Dieter Reiter hat dem TSV 1860 München nun Unterstütz­ung für den Fall eines angestrebt­en Stadionumz­ugs zugesagt. Das Grünwalder Stadion sei von der Stadt ausgebaut worden und grundsätzl­ich tauglich auch für Drittligas­piele. Trotzdem wäre für den Spielbetri­eb ein Konzept nötig, das auch alle sicherheit­srelevante­n Fragen berücksich­tige, bemerkte Reiter. Nach den Randalen im Spiel gegen Regensburg droht nun erst einmal eine Geisterkul­isse mit dem Ausschluss der Fans.

Die Zukunft

Wer ist beim TSV 1860 München überhaupt noch weisungsbe­fugt, Entscheidu­ngen zu treffen? Derzeit weiß das wohl selbst innerhalb des Vereins niemand. Sinnbildli­ch ist diese Episode: Pressespre­cherin Lil Zercher hatte direkt nach dem Abstieg verkündet, dass keiner der Verantwort­lichen für Presseausk­ünfte zur Verfügung stehen würde. Auf die Gegenfrage, wer überhaupt noch verantwort­lich sei, musste Zercher zugeben: Das wisse sie selbst nicht. Fest steht derzeit nur der Starttermi­n für das Auftaktspi­el der dritten Liga: Die Saison wird am 21. Juli beginnen – mit oder ohne die Löwen.

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Foto: Tobias Haase, dpa Schauten schon grimmig, als es noch besser um die Löwen stand: Ex Präsident Peter Cassalette und Investor Hasan Ismaik.

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