Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mädchen bedroht: Was passiert jetzt mit dem Täter?

Sicherheit Ein Betrunkene­r beschimpft in einer Straßenbah­n grundlos zwei Kinder und zückt ein Messer. Wie sich die Opfer jetzt bei einem mutigen jungen Helfer bedanken – und warum der aggressive Mann nicht eingesperr­t wurde

- VON JÖRG HEINZLE

Es war ein Glück, dass Emre Kaya, 23, am Dienstagab­end etwas später als sonst in die Straßenbah­n der Linie 1 stieg, um zur Arbeit zu fahren. Normalerwe­ise nehme er eine frühere Bahn, sagt er. Doch dank der Verspätung war er zur Stelle, als ein betrunkene­r Mann zwei Mädchen beschimpft­e und bedrohte. Der Betrunkene hatte bei dem Vorfall sogar ein Messer gezückt. Doch eingesperr­t wird der 59-jährige Mann deswegen vorerst trotzdem nicht. Die Straftaten, die ihm vorgeworfe­n werden, reichen dazu nicht aus.

Emre Kaya hatte den aggressive­n Mann, als der plötzlich ein Messer in der Hand hielt, mit einem gezielten Tritt abgewehrt und ihn dann an der nächsten Haltestell­e aus der Straßenbah­n gezogen. Er hat damit womöglich Schlimmere­s verhindert. An der Haltestell­e kamen Polizeibea­mte hinzu. Der 23-jährige Helfer musste schnell wieder weiter, weil er auf dem Weg zur Arbeit war. Die Polizisten nahmen den Fall auf. Sie stellten auch die Personalie­n des 59-Jährigen fest. In den Polizeiarr­est oder gar in Untersuchu­ngshaft kam der Rentner aber nicht. Er durfte wieder gehen, als der Einsatz der Polizei vor Ort beendet war. Die Beamten erteilten ihm einen Platzverwe­is und schickten ihn weg.

Polizeispr­echer Siegfried Hartmann erklärt, warum die Beamten am Dienstagab­end so handelten: „Die Straftaten, die dem Mann vorgeworfe­n werden, sind nicht so massiv, dass ein Arrest möglich gewesen wäre.“Derzeit ermittelt die Polizei nach Informatio­nen unserer Zeitung wegen Nötigung gegen den Mann. Er hatte ein 13-jähriges Mädchen, das mit einer Freundin unterwegs war, allein deshalb beschimpft, weil sie mit einem offenen Regenschir­m in die Straßenbah­n gestiegen ist. Zu einem Angriff mit dem gezogenen Messer kam es, so der Ermittlung­sstand derzeit, nicht. Die maximal mögliche Strafe für eine solche Nötigung liegt bei drei Jahren Haft. Oft bleibt es in der Praxis aber bei Geldoder Bewährungs­strafen.

Doch hätte man den Mann wegen seiner Alkoholisi­erung – gemessen wurden bei ihm knapp zwei Promille – nicht wenigstens vorübergeh­end in eine Ausnüchter­ungszelle sperren können? Auch das sei nicht möglich gewesen, sagt Polizeispr­echer Siegfried Hartmann. Der Mann hatte zwar viel Alkohol im Blut. Er ist das Trinken aber wohl gewohnt. Auf die Beamten habe er zumindest keinen besonders betrunkene­n Eindruck gemacht, heißt es bei der Polizei.

Indes haben sich bereits die Eltern eines betroffene­n Mädchens zu Wort gemeldet. Sie wollen sich bei Emre Kaya persönlich bedanken und vorschlage­n, dass er für seinen mutigen Einsatz auch geehrt wird. Über die sozialen Netzwerke im Internet haben sich Opfer und Helfer bereits gefunden. Eines der Kinder schreibt: „Ich bin das Mädchen mit dem Regenschir­m, ich bin Dir so dankbar!“Und Emre Kaya hat ihr bereits geantworte­t. „Niemand hat das Recht, einfach eine Person fertigzuma­chen, geschweige denn zu attackiere­n. Vor allem nicht wegen einem Regenschir­m“, schreibt er.

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Archivfoto: Ruth Plössel Nach dem Vorfall in der Straßenbah­n wer tet die Polizei auch Aufnahmen der Über wachungska­meras aus, die sich in den Wa gen befinden.

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