Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„In London steht die Zeit still“
Bericht Wie unsere Mitarbeiterin Anita Hilpert aus Aystetten den Terroranschlag in Englands Hauptstadt und die Stimmung danach erlebt hat
Immer wieder Sirenengeheul
London ist ein beliebtes Ziel vieler deutscher Touristen in den Pfingstferien. So auch von unserer Mitarbeiterin Anita Hilpert aus Aystetten. Sie macht zurzeit dort mit ihrer Familie Urlaub. Auf Bitte unserer Redaktion schildert sie uns die Stimmung in der Stadt nach dem Terroranschlag, bei dem mehrere Menschen getötet und schwer verletzt wurden:
„Wir erfuhren in der Früh von dem Anschlag, da wir einige Nachrichten von Freunden am Handy hatten, die sich nach unserem Wohlbefinden erkundigt hatten. Wir waren geschockt, da wir am Abend des Attentats gegen 21 Uhr überlegt hatten, in Richtung London Bridge zu spazieren, haben dann aber den Rückweg ins Hotel gewählt.
Am Vormittag nach dem Anschlag war die Stimmung gedrückt. Im Hotel und im Restaurant, wo wir gefrühstückt haben – alles war ruhig. Irgendwie stand die Zeit still. Was kurios ist, dass bis heute kein Mensch auch nur ein Wort mit uns darüber gesprochen hat. Nicht im Hotel und nicht auf der Straße oder in Lokalen. Informationen bekamen wir nur übers Handy und die sozialen Netzwerke.
Es ist eine seltsame Situation, in einer Stadt zu sein, wo so ein Terrorakt passiert. Die Station London Bridge war erst gesperrt, und ist jetzt nur eingeschränkt benutzbar. Man scheint mit den häufigen Anschlägen der letzten Monate einfach zu leben, ohne große Emotion. Acht Millionen Menschen scheinen einfach weiter den Alltag zu leben. Auch die Touristen. Am Nachmittag war London busy wie immer.
Was zu spüren ist, ist die erhöhte Präsenz von Polizei, beritten, zu Fuß, zivil und schwer bewaffnet, Sirenengeheul von verschiedenen Einsatzfahrzeugen ist fast im 15-Minuten-Takt zu hören.
Am Montagnachmittag waren wir in der Nähe vom Leicester Square. Plötzlich Reifengequietsche, Blaulicht und Sirenen. Ein weißer Polizei-Van bleibt neben uns stehen. Zehn uniformierte Polizisten springen raus und nehmen einen Mann fest. Wohl ein obdachloser junger Mann mit einem Koffer, der dort rumstand. Wir sind schnell davon. Da liegen die Nerven dann schon etwas blank. Aber das städtische Leben geht ganz normal weiter. Im Vovent Garden wird gesungen, gespielt, gelacht.
Sich an solchen Hotspots in einer Großstadt zu bewegen, ist nicht ganz unbelastet. Man schaut sich die Leute genauer an. Ist wachsamer. Auch in der Underground. Eine Aussage einer Zeitung hat mich tief ergriffen. Sieben Tote und 40 Verletzte – ein ganz normaler Samstag in Europa.
Und es gruselt mir, wenn ich mir vorstelle, dass wir in Zukunft damit leben müssen. Immer in der Hoffnung, dass es einen selber nicht treffen wird. Wir versuchen unseren Weg zu gehen. Mit wachsamen Augen.