Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Warum die Schwaben ihre „Gosch“ned halten
Vortrag Gerald Huber begibt sich humorvoll auf die Spuren des bayerischen Wortschatzes
Dass sich der Klabautermann Pumuckl gerne mal etwas vom bayerischen Beilagenteller seines Meister Eders stibitzt, ist rein wissenschaftlich betrachtet offenbar gar nicht so weit hergeholt – weisen doch die Begriffe „Gnom“und „Knödel“zumindest auf sprachlicher Ebene eine ganze Menge Gemeinsamkeiten auf. Aber was hat ein Fuggerstädter Zwetschgenkuchen mit einem Fechtausruf der drei Musketiere zu tun? Oder die klassische Bäckerbrezel mit einer klerikalen Demutsgeste? Und ist die „Bissgurk’n“tatsächlich ein aggressives Einlegegemüse aus der Spreewaldregion? Mit witzigem Charme und wissenschaftlicher Raffinesse hat sich Sprachforscher Gerald Huber auf die Spuren des bayerischen Wortschatzes begeben und unternahm auf der Dachterrasse des Gersthofer Ballonmuseums eine vergnügliche Reise durch heimatliche Alltagsbegriffe, Schimpfwörter und Redewendungen.
Dabei verstand es der Referent meisterhaft, Augsburger Lokalkolorit mit etymologischen Erkenntnissen aus aller Welt zu verbinden und seinen Vortrag in eine spritzige Entertainmentshow zu verpacken, die zunehmend die Neugier der Besucher weckte. Nicht nur mit Worten, sondern mit vollem Grimassen- und Körpereinsatz ging Huber heimischen Bezeichnungen wie „Semmel“, „Gosch“und „Zwickl“auf den Grund und erklärte auf ganz eigene Weise, warum die Bayern einfach anders sind als das restliche Germania.
Und dabei gab es einige Überraschungen zu hören: „Unsere Kultur steht den alten Römern sehr viel näher als unseren nördlichen Nachbarn“, erklärte der Germanist mit einem schelmischen Unterton, „im Mittelalter war es für einen Bayern sogar völlig unmöglich, einen Hanseaten zu verstehen.“Sicherlich wusste auch kaum einer der Besucher, dass der Augsburger „Datschi“, der schwäbische Begriff „dosohrat“(schwerhörig) und der französische Fechtausdruck „Touché“im Grunde sogar auf ein und denselben Wortstamm zurückzuführen sind. Huber schaffte es mit seiner angenehmen Moderatorenstimme und einer gesunden Portion Sarkasmus, dass man irgendwann an seinen Lippen klebte, auch wenn es im Prinzip nur um einzelne Wörter aus unserer Alltagswelt ging. Wann schreibt man „bayerisch“, wann dagegen „baierisch“?
Warum geht man sprachlich gesehen Stiegen hinauf, Treppen aber grundsätzlich nur runter? Und was in aller Welt hat der Wettergott Zeus bei unseren Almhütten zu suchen? Endlich wurde auch das ewige Rätsel gelöst, ob es „der“Butter oder „die“Butter heißen muss. Die Lösung: Das heimatliche Milcherzeugnis ist Hubers Forschungsergebnissen zufolge ganz klar ein Mann!
Musikalisch begleitet wurde der Historiker von der international erfolgreichen Akkordeonistin Maria Reiter, die auf ihrem Instrument eine Vielzahl ungewöhnlicher Stücke zum Besten gab: komplexe Kompositionen von Schostakowitsch, eine seltene Version des Frankenlieds oder zünftige Ländler, die durch eingewobene Klassikelemente zu einem neuen Hörerlebnis wurden.
Gerald Huber ist das Kunststück gelungen, eine (fast) komplette Sprachgeschichte der Gegend zwischen Alpen und Altmühltal in gerade mal zwei Stunden abzuhandeln. Man hätte den spannenden Ausführungen noch endlos weiter zuhören können und wäre doch immer wieder auf neue sprachliche Überraschungen gestoßen. Diese Lesung eröffnete nicht zuletzt ein neues Bewusstsein für den tieferen Sinn der Wörter und regte manchmal auch zum Umdenken hinsichtlich der eigenen Überzeugungen an.
Doch die wohl wichtigste Erkenntnis dieses lauen Sommerabends wurde den Besuchern vom Sprachforscher selbst mit auf den Heimweg gegeben: „A Fotznspangler ist in Bayern definitiv kein Frauenarzt und ein Babberl ist kein kleiner Papa, sondern einfach nur ein Bickerle.“Na dann ist ja alles klar in der wilden Wörterwelt der Bajuwaren.