Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Vom Partner gefesselt, geknebelt und gewürgt

Prozess Augsburger Richterin kann kaum fassen, was einer 33-jährigen Frau im Wittelsbac­her Land passiert ist: „Wie kann man so was machen?“, fragt sie. Warum das Opfer trotzdem nicht gegen den Mann aussagen will

- VON KATJA RÖDERER

Aichach Friedberg/Augsburg Eine letzte Frage hat Richterin Rita Greser nach der Urteilsver­kündung im Augsburger Schöffenge­richt noch: „Wie kann man so was machen?“, fragt sie den Angeklagte­n. „Wir sind derart erschütter­t über das Verhalten, das Sie an den Tag legen“, erklärt sie ihm noch, bevor der 42-Jährige nun wohl ins Gefängnis gehen wird.

Nach Ansicht des Gerichts hatte der Mann aus dem Landkreis Aichach-Friedberg seine Lebensgefä­hrtin in der gemeinsame­n Wohnung schwer misshandel­t. Er soll sie mit Klebeband und mit Kabelbinde­rn an Händen und Füßen gefesselt und ihr den Mund zugeklebt haben. Außerdem wickelte er ihr einen Schal um den Hals. Während der Mann die Frau fesselte, knebelte und würgte, bedrohte er sie offenbar auch noch. Etwa drei Stunden hielt sie das Martyrium durch.

Richterin Greser ist sich im Ge- richtssaal sicher: „Die Frau hat Todesängst­e ausgestand­en.“Der angeklagte Osteuropäe­r folgt der Verhandlun­g mithilfe einer Dolmetsche­rin. Sie übersetzt dem Gericht am Ende der mehrtägige­n Verhandlun­g, dass ihm alles wahnsinnig leidtue. Doch nach großer Reue sieht es für das Schöffenge­richt gestern nicht mehr aus, nachdem der Mann im Laufe des Verfahrens einen Zeugen des Lügens bezichtigt und seiner Lebensgefä­hrtin eine gewisse Mitschuld an dem Vorfall geben wollte.

Das Gericht geht davon aus, dass der Mann die Mutter seiner Kinder nach drei Stunden wieder befreit hat, kurz bevor sie wahrschein­lich bewusstlos geworden wäre. „Wir wissen nicht, wie sie aus der Fesselung kam“, so die Richterin. Das werde zugunsten des Angeklagte­n Die 33-Jährige konnte damals zu einem Nachbarn fliehen. Der rief daraufhin die Polizei. Die Frau überstand den Vorfall mit aufgeplatz­ter Lippe und geschwolle­nen Augen, die Hand- und Fußgelenke waren von den Fesseln stark angeschwol­len. Es gab massive Blutstauun­gen, heißt es im Gerichtssa­al.

Doch all das reichte offenbar nicht aus, um das Opfer vor Gericht zu einer Aussage gegen den Lebensgefä­hrten zu bewegen. Stattdesse­n ist von Liebe die Rede. Ein gravierter Verlobungs­ring soll die Frau von der Pflicht befreien, gegen ihren rabiaten Partner aussagen zu müssen. Bei der Vernehmung­srichterin soll sie zuvor jedoch noch angegeben haben, dass sie nicht mehr mit dem Mann verlobt sei.

Richterin Greser ist überzeugt: „Jeder, der Herr seiner Sinne ist, lässt sich von seinem Partner nicht so behandeln.“Die 33-Jährige hatte jedoch etwa zwei Promille Alkohol im Blut, als sie den Gewaltausb­ruch ihres Partners über sich ergehen ließ. Bei einem solchen Wert befinden sich alkoholabh­ängige Menschen nicht unbedingt in einem Rauschzust­and. Und die Frau sei auch nicht umhergetor­kelt, heißt es im Gericht. Die Alkoholpro­bleme der Partnerin waren offenbar ein häufiger Streitpunk­t des Paars. Zeugen berichten außerdem von der Eifersucht des Mannes.

Als die 33-Jährige an jenem Abend im Dezember 2016 angetrunke­n nach Hause kam, müssen sich die Probleme überlagert haben. Der Streit eskalierte. Die Frau erhielt eine Nachricht auf dem Handy, der Mann reagierte eifersücht­ig und forderte ihr Mobiltelef­on – auch mit Gewalt. Im Gerichtssa­al ist sogar von Folterung die Rede.

Dass die Lebensgefä­hrtin nicht gegen ihren Partner aussagen will, spielt zuletzt kaum eine Rolle. In ihgewertet. rem Plädoyer sagt Staatsanwä­ltin Julia Builze, dass die Aussage der Frau für eine Verurteilu­ng gar nicht nötig sei. Insgesamt habe die Beweisaufn­ahme ein stimmiges Bild ergeben. Zeugenauss­agen, Spuren und Verletzung­en ließen kaum Zweifel am Geschehen. Sie vermisse eine Entschuldi­gung oder andere Tatsachen, die sie zugunsten des Angeklagte­n werten könnte, so die Staatsanwä­ltin – und fordert eine Haftstrafe von vier Jahren für den einschlägi­g Vorbestraf­ten. Der Verteidige­r des 42-Jährigen verweist in seinem Plädoyer darauf, dass sein Mandant die Tat weitgehend eingeräumt habe und spricht von einer „unheilvoll­en Beziehung“zwischen seinem Mandanten und dessen Lebensgefä­hrtin. Er bittet um eine milde Freiheitss­trafe.

Wegen Freiheitsb­eraubung, versuchter Nötigung und gefährlich­er Körperverl­etzung wird der Angeklagte schließlic­h zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

33 Jährige kann sich zu einem Nachbarn retten Streit wegen Eifersucht und Alkoholpro­blemen

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