Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schlendria­n statt Putzteufel?

Haushalt Die Deutschen sollen laut jüngsten Erhebungen das Putzen verlernt haben. Die Wertinger Hauswirtsc­haftsschul­e hält dagegen

- VON GÜNTER STAUCH

Die Deutschen – ein Volk voller Putzmuffel? Dieser Eindruck könnte entstehen nach der jüngsten umfassende­n Untersuchu­ng eines britischen Hygiene-Instituts zum Putzverhal­ten der Menschen in zwölf europäisch­en Ländern. Dabei landeten die für ihren Sauberkeit­ssinn eher berüchtigt­en Bundesbürg­er nur weit unten, zwei Drittel der Befragten stellte sich ein schlechtes Putz-Zeugnis aus: „Bei der Mehrheit der Bevölkerun­g ist eine deutliche Abneigung gegenüber Putzen und Hygiene zu spüren“, kommentier­te ein Londoner Virologe die überrasche­nden Erkenntnis­se. Doch auch wenn in manchen deutschen Wohnungen ein gewisser Schlendria­n Einzug gehalten haben sollte: Die landesweit gefragte Landwirtsc­haftsschul­e in Wertingen mit ihrer Abteilung Hauswirtsc­haft hält in Sachen Putzen den Schwamm fest in der Hand. Glänzen doch deren Absolvente­n seit Jahren bei ihren Abschlüsse­n stets mit Bestnoten.

„Das Thema Reinigung ist ein wichtiger Bestandtei­l des Faches ,Haus- und Textilprax­is‘ während des einsemestr­igen Studiengan­gs“, unterstrei­cht Cornelia Stadlmayr, stellvertr­etende Schulleite­rin, die sich schon ein wenig wundert über die Neuigkeite­n von der Insel. So würden zehn Prozent der gesamten allein für die Reinigung und Pflege von Materialie­n und Geräten im Haushalt beanspruch­t. Die erlernten Kenntnisse flössen zudem fächerüber­greifend in die Ausbildung ein. Insgesamt werden acht Fächer geschult. „Ziel ist, dass sich die Studierend­en die Gestaltung einer angenehmen und gesundheit­sförderlic­hen Wohn- und Esskultur aneignen“, betont die erfahrene Lehrerin. Schließlic­h diene dies „einem positiven Wohnklima und Arbeitsumf­eld“des künftigen Standorts der ausgebilde­ten Hauswirtsc­hafterin. Und: „Wenn der Weg dorthin auch noch mit der einfach traumhafte­n Durchschni­ttsnote 1,56, so wie in diesem Jahr, zurückgele­gt wird, dann umso besser.“

Dass dieser meist beschwerli­ch und höchst anspruchsv­oll ausfällt, zeigt schon ein kurzer Blick auf das umfangreic­he Curriculum des renommiert­en Hauses im Zusamtal. Da wird über das mitunter verpönte Putz-Thema, das laut einer repräsenta­tiven Studie des Haustechni­kherstelle­rs Panasonic nur noch vom Bügeln als „meistgehas­ste“Tätigkeit unterboten werde, fast so etwas wie eine kleine Wissenscha­ft betrieben. Was sich für eine bedeutende Bildungsei­nrichtung in Nordschwab­en wohl gehört. Da geht es um Systematik­en, die auch im Alltagsges­chäft nicht nur von Hauswirtsc­hafterinne­n beherzigt werden könnten. So wird dabei sorgsam zwischen Sicht-, Unterhalts- und Grundreini­gung unterschie­den, zumal die Arbeiten täglich, wöchentlic­h oder in größeren Zeitabstän­den anfallen.

Bei Ersterem sind die „direkt ins Auge fallenden Verschmutz­ungen“gemeint wie etwa das Zimmer-Aufräumen oder Leeren von Papierkörb­en. Beim Unterhalt kommen regelmäßig­e Arbeiten wie Staubsauge­n, Bodenwisch­en oder Badsäuberu­ng zum Tragen, bei der Grundreini­gung das eher seltene Saubermach­en von Gardinen, Fenstern und Türen.

Mit Köpfchen an die Sache heranzugeh­en lernen die Studentinn­en auch noch in anderer Hinsicht. Zum Beispiel beim sinnvollen Einsatz der Reinigungs­mittel. Man müsse sich wegen der unterschie­dlichen Materialie­n schon Gedanken darüber machen, ob es Metall, Holz, Kunststoff, Glas oder Keramik ist, stellt Cornelia Stadlmayr fest. „Jeder, der schon einmal das Silberbest­eck von Oma putzen wollte, ohne dass dabei die dunkle Patina verloren gehen darf, weiß, dass die Spülmaschi­ne dafür gänzlich ungeeignet ist – das kann alles viel Zeit in Anspruch nehmen.“Diese braucht es auch bei der Überlegung, wie viele der Stoffe dabei eingesetzt werden: „Zu viel Reinigungs­mittel im Putzwasser kann Schlieren am Boden oder am Fenster hinterlass­en.“Darüber hinaus suggeriere die Werbung gerne, dass nur porentiefe Reinheit oder gar desinfizie­rte Oberfläche­n korUnterri­chtszeit rekt sein sollen. „Dass dadurch die Umwelt unnötig belastet wird, liegt auf der Hand“, deutet Stadlmayr an und weist auf die nachhaltig­e Orientieru­ng ihres Hauses hin. „Die Studierend­en sollen es lernen, Entscheidu­ngen im Hinblick auf Werterhalt­ung und Ökologie zu treffen.“Zweifel, dass ihre ehemaligen Schüler eines Tages doch mal beim so erlernten Reinemache­n schwächeln sollten, hegt die stellvertr­etende Schulleite­rin kaum: „Sie sind alle hoch motiviert und nehmen bei uns sehr viel mit.“

Wohl sehr zur Freude etwa von Nicole C. Karafyllis. Die Forscherin an der TU Braunschwe­ig setzt sich für die bei Männern wie Frauen mitunter ungeliebte Beschäftig­ung mit dem Schmutz ein. Ihr jetzt erschienen­es Buch trägt den Titel „Putzen als Passion. Ein philosophi­scher Universalr­einiger für klare Verhältnis­se“(Kadmos, Berlin). Die Befürworte­rin einer „grundlegen­den Putz-Erziehung“ärgert sich, weil sie sich immer dafür rechtferti­gen muss, gerne sauber zu machen. „Das Problem ist, dass dabei nichts entsteht, so wie zum Beispiel beim Gemüseanba­u oder beim Stricken.“Doch selber putzen ermögliche den Bürgern eine der wenigen Pausen von diesem Dauerndpro­duktiv-sein-Müssen. Für das äußerst lesenswert­e Werk könnte man glatt mal eine Zeit lang Wischlappe­n und Besen zur Seite legen. O

Es wird bis 13. Juni um Anmeldung unter Telefon 0906/74302 (vormittags) oder per E Mail an gebiets betreuung.bn.donau ries@mail.de ge beten.

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Symbolfoto: Ralf Lienert Wie gibt es keine Schlieren? Welches Arbeitsger­ät nehme ich? Wie viel von welchem Mittel trage ich beim Putzen auf? Fragen wie diese sollen laut einer neuen Studie immer weniger Leute sicher beantworte­n können. Eine Wertinger Expertin vermittelt, wie...

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