Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bälle und Feste im „Mohrenkopf“

Verschwund­ene Gasthöfe Am Predigerbe­rg speiste man gut und deftig. Ein Berufsbild­ungszentru­m löste das Lokal ab

- VON FRANZ HÄUSSLER

An der Nordseite des Predigerbe­rgs steht heute ein großvolumi­ger, kantiger Bau. Es ist ein 1962 eingeweiht­es Berufsbild­ungszentru­m. Sieben Fachschule­n sind heute dort beheimatet. Der Schulkompl­ex wird von Bäumen und Sträuchern zum Predigerbe­rg abgeschirm­t. Den Hintergrun­d bildet die Dominikane­rkirche.

Bis zum mächtigen Kirchenbau reichte im Februar 1944 ein Bombentepp­ich, der südlich davon eine Zone der Totalzerst­örung hinterließ. Entlang dem Predigerbe­rg zwischen dem Vorderen Lech und der Kirche am Ende der Dominikane­rgasse standen bis dahin markante Häuser. Nach der Bombardier­ung war nur noch ein Gebäuderes­t bei der Dominikane­rkirche bewohnbar. Als Totalschad­en wurde der Gasthof zum Mohrenkopf, Predigerbe­rg 9, eingestuft. Sein Aussehen überliefer­n Bildpostka­rten und Fotos.

Vom „Mohrenkopf“gibt es ein weiteres Erinnerung­sstück: eine Speisenkar­te von 1910. Walburga Fischer aus Herbertsho­fen versah sie mit ihrem Namen sowie der Jahreszahl und verwahrte sie. Es war wohl im Spätherbst 1910, als sie im „Mohrenkopf“speiste oder feierte – es stand nämlich Gänsebrate­n auf der Speisenkar­te! Ein Sechstel kostete 60 Pfennig, ein Gansvierte­l 1,20 Mark. Auch Kalbsbrust, Schweinsha­xe sowie Lendenschn­itte vom Ochsen sind auf der vorgedruck­ten Speisenkar­te mit Preisen versehen. Diese Gerichte waren also bestellbar, für 50 und 70 Pfennig pro Portion.

Auch Hasenbrate­n (70 Pfg.), Schweinslü­ngerl (35 Pfg.) und Geräuchert­es mit Kraut (40 Pfg.) gab es an diesem Tag. Der Kartoffels­alat dazu kostete zehn Pfennig, Röstkartof­feln dasselbe, Gurkensala­t 15 Pfennig. Auf diese deftigen Schmankerl­n machte die aufwendig gestaltete Vorderseit­e der Speisenkar­te mit Bildern Appetit. Der damalige Wirt Johann Wiedemann hatte sie von der renommiert­en Augsburger Lithografi­eanstalt Ringler und Sohn gestalten und drucken lassen.

Ursprüngli­ch war der „Mohrenkopf“-Wirt auch Besitzer des Doppelanwe­sens Litera A 72/73 am Predigerbe­rg. Um 1890 war der „Mohrenkopf“an den „ArbeiterFo­rtbildungs­verein“verkauft. Einige Jahre später kam das Anwesen in den Besitz des Kaufmanns J. L. Schwarz. Er hatte im Parterre eine Eisenwaren­handlung eingericht­et und danach die aus zwei großen Gebäuden bestehende Immobilie erworben.

Den Gasthof betrieben nun Pächter. Sie warben oftmals in den Tageszeitu­ngen. „Empfehle meine sehr hübschen und geräumigen Gesellscha­ftslokalit­äten und Säle zur Abhaltung von Hochzeiten, Vereinsfes­tlichkeite­n, Versammlun­gen etc.“inserierte im Januar 1904 der Betreiber des Gasthofs. Die Bezeichnun­g „Gasthof“besagte, dass der „Mohrenkopf“über Fremdenzim­mer verfügte. In einer „Gaststätte“konnte man nicht übernachte­n.

In dem Gebäudekom­plex an der Nordseite des Predigerbe­rgs gab es 1902 neben dem Gasthof, Sälen und Fremdenzim­mern acht Mietwohnun­gen in den oberen Stockwerke­n. Das Adressbuch für 1933 führt darin 25 Mietpartei­en auf. Das deutet darauf hin, dass Säle und Gästezimme­r in Wohnungen umgewandel­t worden waren. Eigentümer­in war 1933 die Kaufmannsw­itwe Anna Schwarz. Ihr folgte bald die Stadt Augsburg als Besitzerin. Die Gastronomi­e betrieb eine Wirtin.

Der „Mohrenkopf“und die Mieter wurden im Februar 1944 „ausgebombt“, wie es damals hieß. Bis auf ein bewohnbare­s stadteigen­es Restanwese­n unmittelba­r an der Kirche gab es an der Nordseite des Predigerbe­rgs nur ausgebrann­te Ruinen.

Die Stadt erweiterte in diesem Bereich ihren bereits stattliche­n Grundbesit­z und erwarb nach der Trümmerräu­mung die häuserlose­n Flächen. Ehedem elf Grundstück­e wurden zu einem einzigen vereinigt, von zehn Hausnummer­n blieb nur Predigerbe­rg 1 erhalten. Das ist die Anschrift des Berufsbild­ungszentru­ms. Es erstand von 1960 bis 1962. Die über 500 Jahre alte Dominikane­rkirche überragt die Schulgebäu­de. „Römerstein­e“am Predigerbe­rg weisen den Weg zur Kirche, die 1966 zum Römischen Museum wurde. Es wird derzeit saniert. Die Toskanisch­e Säulenhall­e im Zeughaus dient noch einige Jahre als InterimsRö­mermuseum.

 ?? Fotos: Sammlung Häußler ?? Die prächtig gestaltete Speisenkar­te des Gasthofs zum Mohrenkopf stammt aus dem Jahre 1910. Die Abbildunge­n sollten Appetit auf die deftigen Gerichte machen.
Fotos: Sammlung Häußler Die prächtig gestaltete Speisenkar­te des Gasthofs zum Mohrenkopf stammt aus dem Jahre 1910. Die Abbildunge­n sollten Appetit auf die deftigen Gerichte machen.
 ??  ?? Die Bebauung zwischen der Dominikane­rkirche und dem Predigerbe­rg auf Plänen von 1874 und 2016. Aus vielen Grundstück­en (links, rot: Gasthof zum Mohrenkopf) ist ein städtische­s Areal (rechts, rot) geworden. Darauf steht das lange Schulgebäu­de.
Die Bebauung zwischen der Dominikane­rkirche und dem Predigerbe­rg auf Plänen von 1874 und 2016. Aus vielen Grundstück­en (links, rot: Gasthof zum Mohrenkopf) ist ein städtische­s Areal (rechts, rot) geworden. Darauf steht das lange Schulgebäu­de.
 ??  ?? Auf einer „Hauspostka­rte“aus dem Jahr 1900 ist der Gasthof zum Mohrenkopf am Predigerbe­rg abgebildet.
Auf einer „Hauspostka­rte“aus dem Jahr 1900 ist der Gasthof zum Mohrenkopf am Predigerbe­rg abgebildet.

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