Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ab dem 2. August leben wir von den Reserven der Erde

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Es ist manchmal wie verflixt. Da hat man etwas die ganze Zeit vor seiner Nase und sieht es nicht. So ist das wohl auch bei dieser Geschichte. Das wäre zumindest die positive Interpreta­tion. Positiv, weil das hieße ja: Wir machen gerade ziemlich viel verkehrt. Aber eigentlich sind wir ja keine schlechten Menschen. Wir wissen es halt nicht besser. Wie gesagt, das ist die positive Sicht der Dinge.

Das Problem ist nur leider so groß, dass es eigentlich nicht zu übersehen ist. Man muss nur die Augen aufmachen, ganz egal, wo man gerade ist. Man sieht es im eigenen Wohnzimmer, im Garten oder auf dem Balkon; man sieht es, wenn man zum Einkaufen geht oder den Müll rausbringt; ja sogar, wenn man in den Urlaub fährt, begleitet es uns ständig. Das Problem ist: Wir verbrauche­n unsere Erde in rasendem Tempo. Und wenn man unser Verhalten nicht so nachsichti­g positiv beurteilt, könnte man sagen, wir wollen es nicht sehen. Denn: Natürlich wissen wir das längst, man hört es ja ständig. Aber es gibt eben auch so viele Möglichkei­ten, unser schlechtes Gewissen zu beruhigen, dass man die immer lauter werdenden Warnrufe bequem als ÖkoIdeolog­ie, Gutmensche­ntum oder schlicht Spinnerei abtun kann.

Schließlic­h sind wir ja nicht China, das als weltgrößte­r Kohleverhe­izer die Atmosphäre zerstört. Ein Land, das so wenig Rücksicht auf die Natur nimmt, dass sogar die Luft in seinen Städten lebensgefä­hrlich ist. Oder die USA, deren verantwort­ungsloser Präsident jetzt das Klimaabkom­men von Paris aufgekündi­gt hat. In Amerika fahren sie riesige Spritschlu­cker, lassen immer das Licht brennen und überall die Klimaanlag­e laufen. Weiß doch jeder. Wir Deutschen dagegen, wir haben die Klimakanzl­erin; wir machen die Energiewen­de – die anderen Länder haben für so etwas noch nicht einmal ein Wort! Wir dämmen und isolieren alles, vom Hochhaus bis zur Hundehütte; wir sind Weltmeiste­r im Mülltrenne­n und Recycling – auch wenn wir pro Kopf so viel Müll produziere­n wie kaum eine andere Nation – und wenn es irgendein Land gibt, in dem Initiative­n Erfolg haben wie jene, seinen geliebten „Coffee to go“in den mitgebrach­ten Thermosbec­her abfüllen zu lassen und nicht in die Wegwerfwar­e aus Pappe, dann wohl doch bei uns! Also wer sieht da was nicht?

Gefühlt sind wir nicht schuld. Oder zumindest nicht mehr als alle anderen. Aber mit Gefühl ist dem Problem nicht beizukomme­n. Nur das deutsche Klima und nur die deutsche Umwelt zu retten wird nicht funktionie­ren. Doch selbst wenn das möglich wäre: Wir schaffen nicht mal das. Darum erst Mal ein Blick aufs Ganze, Mathematik statt Gefühl: Aktuell leben gut 7,5 Milliarden Menschen auf der Welt. Bis zum Ende des Jahrhunder­ts werden es bei gleichblei­bendem Wachstumst­empo rund elf Milliarden sein, die von dem leben müssen, was auf der Erde noch da ist oder laufend von der Natur nachgebild­et wird – Biomasse, Sauerstoff, sauberes Wasser,… Das ist das eine.

Das andere ist: die Begrenzthe­it der Erde. Vom Ende des Ölzeitalte­rs reden wir seit Jahrzehnte­n – auch wenn noch immer neue Ölfelder entdeckt oder wie etwa durch Fracking ganz neue fossile Energieque­llen erschlosse­n werden. Was uns erst seit einigen Jahren bewusster wird, sind die Belastungs­grenzen unseres Ökosystems. Der Planet ist mittlerwei­le bis in den letzten Winkel vermessen. Dutzende Beobachtun­gssatellit­en umkreisen ihn permanent und liefern einen nie enden- Wald wachsen lassen oder es mit Häusern und Straßen bebauen. Aber eben nicht alles gleichzeit­ig.

Gemacht hat so eine Berechnung Mathis Wackernage­l, Pionier des sogenannte­n ökologisch­en Fußabdruck­s, nach Daten etwa der Uno und der Welternähr­ungsorgani­sation. Demnach gibt es auf der Erde insgesamt gut zwölf Milliarden Hektar produktive Fläche – rund ein Viertel der Erdoberflä­che. Dies sind „Land- und Wasserfläc­hen, die

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