Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Kind prallt auf Auto: Eltern müssen nicht zahlen
Justiz Einem Unfall in Diedorf folgt ein langer Rechtsstreit. Warum es keinen Schadenersatz gibt
Das ist so etwas wie ein Naturgesetz: Kinder spielen gerne und machen manchmal groben Unfug. Entsteht dabei ein Schaden, kommen schnell die Juristen ins Spiel. Die haben eine schwierige Aufgabe zu lösen: Wer haftet? Eine Frage, die sich so schnell nicht klären lässt.
In einem Rechtsstreit, der seinen Ursprung in Diedorf hatte, dauerte es fast zwei Jahre. Das Ungewöhnliche an dem jetzt rechtskräftigen Urteil: Das Kind, das den Schaden verursachte, wurde nicht haftbar gemacht, obwohl es damals zehn Jahre alt war und nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zur Verantwortung gezogen werden könnte.
Der zehnjährige Schüler sauste im Sommer 2015 auf dem Fahrrad mit einem Klassenkameraden eine abschüssige Straße in Diedorf herunter. Er bog nach rechts in eine enge Straße ab – und schon war es passiert: Der Bub landete auf der Motorhaube eines Autos, das ihm dort entgegenkam. Dem Jungen passierte bei dem Unfall nichts. Einen großen Schreck hatte er aber schon bekommen, wie auch die Eigentümerin des Wagens. Der war nämlich beschädigt. Was tun? Die Eigentümerin wollte den Schaden in Höhe von rund 2500 Euro von dem Kind ersetzt haben.
Doch die Eltern als Vertreter des Kindes wollten den Schaden am Fahrzeug nicht zahlen. Nach ihrer Meinung sei die Frau, obwohl sie die Kinder den Berg herunterkommen sah, zu weit auf der Gegenfahrbahn gewesen. Deshalb habe ihr Sohn den Zusammenstoß nicht vermeiden können.
Das Amtsgericht Augsburg gab nach Vernehmung der am Unfall Beteiligten ein Gutachten in Auftrag. Das Ziel: Den genauen Unfallhergang näher aufklären. Ein Sachverständiger stellte den Zusammenstoß vor Ort nach. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Autofahrerin nicht – wie von ihr vorgetragen – ganz rechts am Randstein gefahren war, sondern eher in der Mitte.
Das Gericht musste abwägen und entschied schließlich: Die Autofahrerin habe den Unfall überwiegend selbst verschuldet. Sie sei den Kindern in der engen Straße nicht ausgewichen, obwohl sie die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Bei dem Urteil berücksichtigte das Gericht auch das Alter des Buben.
Zwar können Kinder ab zehn Jahren nach dem BGB für Unfälle im Verkehr grundsätzlich verantwortlich gemacht werden. „Das Mitverschulden des Jungen war aber unter Berücksichtigung seines Alters und seiner Einsichtsfähigkeit so gering, dass er in diesem Fall nicht haftet“, teilte das Augsburger Amtsgericht mit.
Damit hatte die Autofahrerin mit dem beschädigten Wagen letztlich mit ihrer Schadenersatzklage keinen Erfolg.