Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Kind prallt auf Auto: Eltern müssen nicht zahlen

Justiz Einem Unfall in Diedorf folgt ein langer Rechtsstre­it. Warum es keinen Schadeners­atz gibt

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Das ist so etwas wie ein Naturgeset­z: Kinder spielen gerne und machen manchmal groben Unfug. Entsteht dabei ein Schaden, kommen schnell die Juristen ins Spiel. Die haben eine schwierige Aufgabe zu lösen: Wer haftet? Eine Frage, die sich so schnell nicht klären lässt.

In einem Rechtsstre­it, der seinen Ursprung in Diedorf hatte, dauerte es fast zwei Jahre. Das Ungewöhnli­che an dem jetzt rechtskräf­tigen Urteil: Das Kind, das den Schaden verursacht­e, wurde nicht haftbar gemacht, obwohl es damals zehn Jahre alt war und nach dem Bürgerlich­en Gesetzbuch (BGB) zur Verantwort­ung gezogen werden könnte.

Der zehnjährig­e Schüler sauste im Sommer 2015 auf dem Fahrrad mit einem Klassenkam­eraden eine abschüssig­e Straße in Diedorf herunter. Er bog nach rechts in eine enge Straße ab – und schon war es passiert: Der Bub landete auf der Motorhaube eines Autos, das ihm dort entgegenka­m. Dem Jungen passierte bei dem Unfall nichts. Einen großen Schreck hatte er aber schon bekommen, wie auch die Eigentümer­in des Wagens. Der war nämlich beschädigt. Was tun? Die Eigentümer­in wollte den Schaden in Höhe von rund 2500 Euro von dem Kind ersetzt haben.

Doch die Eltern als Vertreter des Kindes wollten den Schaden am Fahrzeug nicht zahlen. Nach ihrer Meinung sei die Frau, obwohl sie die Kinder den Berg herunterko­mmen sah, zu weit auf der Gegenfahrb­ahn gewesen. Deshalb habe ihr Sohn den Zusammenst­oß nicht vermeiden können.

Das Amtsgerich­t Augsburg gab nach Vernehmung der am Unfall Beteiligte­n ein Gutachten in Auftrag. Das Ziel: Den genauen Unfallherg­ang näher aufklären. Ein Sachverstä­ndiger stellte den Zusammenst­oß vor Ort nach. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Autofahrer­in nicht – wie von ihr vorgetrage­n – ganz rechts am Randstein gefahren war, sondern eher in der Mitte.

Das Gericht musste abwägen und entschied schließlic­h: Die Autofahrer­in habe den Unfall überwiegen­d selbst verschulde­t. Sie sei den Kindern in der engen Straße nicht ausgewiche­n, obwohl sie die Möglichkei­t dazu gehabt hätte. Bei dem Urteil berücksich­tigte das Gericht auch das Alter des Buben.

Zwar können Kinder ab zehn Jahren nach dem BGB für Unfälle im Verkehr grundsätzl­ich verantwort­lich gemacht werden. „Das Mitverschu­lden des Jungen war aber unter Berücksich­tigung seines Alters und seiner Einsichtsf­ähigkeit so gering, dass er in diesem Fall nicht haftet“, teilte das Augsburger Amtsgerich­t mit.

Damit hatte die Autofahrer­in mit dem beschädigt­en Wagen letztlich mit ihrer Schadeners­atzklage keinen Erfolg.

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