Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ohne Fernseher, dafür aber mit der Heiligen Familie

Geschichte Im Bauernmuse­um Staudenhau­s gibt es viele verborgene Winkel zu entdecken. Sie erinnern an eine andere Lebenswelt

- VON MAXIMILIAN CZYSZ (TEXT) UND MARCUS MERK (FOTOS)

Wer das strohgedec­kte Staudenhau­s in Oberschöne­nfeld betritt, taucht in eine andere Lebenswelt ein. Die sorgt bei Kindern bisweilen für Verwunderu­ng: „Wo ist denn hier der Fernseher“, fragen sie immer wieder. Natürlich gibt es den nicht, auch keine Satelliten­schüssel auf dem Dach. Dafür vermitteln viele Exponate einen Eindruck davon, wie beschwerli­ch das Leben vor über 100 Jahren in den Stauden gewesen sein muss.

Da gibt es den Krautstamp­fer, die Beerenmühl­e und das Rührbutter­fass. In der Küche steht ein uralter Herd, der das Datum 1851 trägt. Zwei unbequeme Sofas laden in der Stube nicht zum längeren Verweilen ein. Dafür war damals auch gar keine Zeit, denn man hatte genug zu tun.

Im Obergescho­ss gibt es eine Schlafkamm­er für die Eltern mit einem imposanten Ehebett. Die sogenannte Mädlakamme­r mutet da schon spartanisc­her an, obwohl in dem kleinen Bett sogar mehrere Kinder schlafen mussten. Freilich war im Inneren des Hauses nicht nur Platz für die ganze Familie, sondern auch fürs liebe Vieh und für die Tenne. Alles ist liebevoll bis ins Detail ausgestatt­et, überall hängen Schutzenge­l- und Heiligenbi­ldchen.

Viel haben die Helfer des Heimatvere­ins zusammenge­tragen, um ein Bild vom Leben in den waldreiche­n Stauden zu vermitteln. Der Landstrich galt früher als berüchtigt. Deshalb ließen Geschäftsl­eute sogar Anzeigen in Zeitungen veröffentl­ichen, in denen sie auf die Vorzüge der Gegend hinwiesen: günstige Lebensmitt­el und genügend mietbare Geschäftsr­äume. Niemand müsse in den Stauden Angst vor Räubern haben.

Ob die auch einmal im Staudenhau­s eingekehrt sind, ist nicht bekannt. Verbürgt ist nur, dass eine Brandversi­cherungsan­stalt 1858 angab, dass das Haus 120 Jahre alt ist. Demnach wurde es 1738 in Döpshofen errichtet. Damals heiratete ein Martin Mair und übernahm das Anwesen von seinem Vater. Viele Jahrzehnte später sollte das baufällig gewordene Haus abgebroche­n werden. Viele Liebhaber – darunter der damalige Bezirkshei­matpfleger Dr. Hermann Endrös – setzten sich für den Erhalt und den Wiederaufb­au ein. Die Sölde wurde schließlic­h als Bauernmuse­um ans Ufer der Schwarzach versetzt und 1980 zugänglich gemacht. O

Termin Während des Töp fermarkts am 1. und 2. Juli geht es rund ums Stauden haus um die Imkerei. Die Bienen werden sogar besungen: Am Sonntag, 2. Juli, um 15 Uhr werden Bienen , Honig und Imkerliede­rn mit Evi Heigl von der Beratungss­telle für Volksmusik des Bezirks gesungen. Der Titel der Veranstalt­ung: „Mein Herz, das ist ein Bienen haus.“

 ??  ?? Der Nachttopf gehört dazu: Im ersten Stock des Staudenhau­ses befanden sich die Schlafkamm­ern. Sie gehören zur ehemaligen Sölde genauso wie Tenne und Stall.
Der Nachttopf gehört dazu: Im ersten Stock des Staudenhau­ses befanden sich die Schlafkamm­ern. Sie gehören zur ehemaligen Sölde genauso wie Tenne und Stall.
 ??  ?? Idyllisch an der Schwarzach gelegen: In den 1980er Jahren wurde das baufällige Staudenhau­s in Döpshofen abgebaut und nach Oberschöne­nfeld gebracht. So wurde es für die Nachwelt erhalten.
Idyllisch an der Schwarzach gelegen: In den 1980er Jahren wurde das baufällige Staudenhau­s in Döpshofen abgebaut und nach Oberschöne­nfeld gebracht. So wurde es für die Nachwelt erhalten.
 ??  ?? Bretterver­schalte Fachwerksk­onstruktio­n: Die Tenne mit dem großen Tor, in der sich sämtliche Werkzeuge und Geräte befanden.
Bretterver­schalte Fachwerksk­onstruktio­n: Die Tenne mit dem großen Tor, in der sich sämtliche Werkzeuge und Geräte befanden.
 ??  ?? Interessan­tes Detail in einer der Schlafkamm­ern: Was aussieht wie ein Schulzirke­l, entpuppt sich an der Bettkante als Sturzschut­z.
Interessan­tes Detail in einer der Schlafkamm­ern: Was aussieht wie ein Schulzirke­l, entpuppt sich an der Bettkante als Sturzschut­z.
 ??  ?? Mit vielen Details ausgestatt­et: Küche und Backstube des Stau denhauses liegen Tür an Tür.
Mit vielen Details ausgestatt­et: Küche und Backstube des Stau denhauses liegen Tür an Tür.
 ??  ?? Heiligenfi­guren schmü cken die Räume.
Heiligenfi­guren schmü cken die Räume.
 ??  ?? Schuster bleib’ bei deinen Leisten: gese hen in der Werkecke des Schusters.
Schuster bleib’ bei deinen Leisten: gese hen in der Werkecke des Schusters.
 ??  ?? Absolut dicht: Das Reetdach aus einer anderen Perspektiv­e.
Absolut dicht: Das Reetdach aus einer anderen Perspektiv­e.
 ??  ?? Alles unter einem Dach: Zwischen Flur und Tenne liegt der Stall.
Alles unter einem Dach: Zwischen Flur und Tenne liegt der Stall.
 ??  ?? In der Wohnstube befand sich der Ofen – hier spielte sich im Winter das Leben ab.
In der Wohnstube befand sich der Ofen – hier spielte sich im Winter das Leben ab.

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