Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Geht Deutschland zu lax mit Linksextremen um?
Kriminalität Nach dem Gewaltausbruch von Hamburg fordern Politiker eine harte Linie
Augsburg Die schweren Ausschreitungen vom Wochenende in Hamburg mit fast 500 verletzten Polizisten hallen unvermindert nach. Der Streit, wer dafür verantwortlich ist, dass vermummte Gewalttäter über Stunden in Teilen der Stadt ungehindert wüten konnten, ist längst nicht beendet. Nach der Randale am Rande des G20-Gipfels fordern Politiker von Union und FDP eine schärfere Gangart gegen Linksextremisten in Deutschland. Der unter Druck stehende Hamburger Regierungschef Olaf Scholz (SPD) lehnt einen Rücktritt ab. Ihm wird vorgeworfen, die Gefahr von Gewalttaten vor dem Gipfel heruntergespielt zu haben. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte mit Blick auf die Strafverfolgung der Gewalttäter ein hartes Vorgehen. Es handele sich um „verachtenswerte gewalttätige Extremisten, genauso wie Neonazis oder Islamisten“.
Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte, Hamburg habe gezeigt, „dass das Gerede vom Linksextremismus als überschätztem Phänomen schlicht grottenfalsch ist. Das jahrelange Wegschauen, falsche Liberalität gegenüber Rechtsbrechern hat sich jetzt bitter gerächt in Hamburg.“In der Hansestadt müsse man sich endlich entschließen, „auch auf der Schanze Bürgerrechte und Eigentum zu schützen und öffentliche Sicherheit durchzusetzen“. Insbesondere rund um das linke Zentrum „Rote Flora“war es zu Plünderungen und Gewalttaten gekommen. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) erklärte, dass eine Schließung „zu prüfen sein“werde.
Der Experte für innere Sicherheit an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, Christoph Kopke, verwies im Gespräch mit unserer Zeitung darauf, dass „über den sogenannten Schwarzen Block sehr wenig bekannt“sei. „Über dieses politische Spektrum gibt es nur wenige empirische Studien, vieles bleibt spekulativ.“Kopke: „Jetzt Gesetzesverschärfungen und Rücktritte zu fordern, ist blanker Populismus. Es muss darum gehen, genau zu analysieren, was in Hamburg im Einzelnen passiert ist. Nur so kann man dem Problem in Zukunft besser begegnen.“Erschwerend komme hinzu, „dass die gewaltbereiten Demonstranten augenscheinlich nicht nur aus Deutschland“gekommen seien. Die internationale Mobilisierung mache es noch schwerer, solche Ausschreitungen zu verhindern.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) reagierte auf den Umstand, dass in den Reihen der Steinewerfer keinesfalls nur Deutsch gesprochen wurde, mit dem Vorschlag, eine europaweite Extremistendatei zu schaffen. Schon seit Monaten wird in der EU-Kommission über eine bessere Verknüpfung von Datenbanken der Sicherheitsbehörden in Europa nachgedacht.
Bürgermeister Scholz wandte sich gegen Rücktrittsforderungen aus der Hamburger CDU. Rückendeckung bekam er von CDU-Politiker Altmaier: „Ich kann keine Begründung erkennen, warum er zurücktreten sollte.“
Um möglichst viele Gewalttäter zur Rechenschaft ziehen zu können, richtete die Polizei eine Sonderkommission ein. Es gebe eine gewaltige Zahl von Hinweisen aus der Bevölkerung, sagte ein Mitarbeiter von Innensenator Andy Grote (SPD). Die Menschen schickten Bilder von maskierten und unmaskierten mutmaßlichen Tätern. „Es ist eine Flut von Informationen, die durchermittelt werden müssen.“