Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gewalt ist tabu – ohne Wenn und Aber

Leitartike­l Nach den Hamburger Krawallen: Schluss jetzt mit der Relativier­ung linksextre­mer Gewalttate­n! Was für den Rechtsstaa­t auf dem Spiel steht

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Wo bleibt die klare Distanzier­ung von der Randale?

War das Einsatzkon­zept der Hamburger Polizei richtig? Waren die Ordnungskr­äfte überforder­t mit der Aufgabe, den G20-Gipfel zu schützen und zugleich die öffentlich­e Sicherheit in einer Großstadt zu gewährleis­ten? Hat Bürgermeis­ter Scholz die Gefahr fahrlässig unterschät­zt? Diese Fragen müssen nach den Krawallen von Hamburg selbstvers­tändlich sorgfältig geprüft und beantworte­t werden. Ungleich dringliche­r jedoch sind jene Fragen, die jenseits operativer Details an den Kern der Probleme rühren und von der Kapitulati­on des Rechtsstaa­ts vor einem linksextre­men Mob handeln.

In Hamburg ist ja passiert, was eben noch unvorstell­bar schien und sowohl das Rechtsempf­inden der Bürger als auch deren Vertrauen in einen handlungsf­ähigen Staat schwer erschütter­t: Marodieren­de, vermummte Gewalttäte­r ziehen brandschat­zend und plündernd durch die Straßen, ohne dass ihnen die Polizei Einhalt gebietet. Es waren Szenen einer Gewaltorgi­e, wie man sie aus Bürgerkrie­gen kennt. Der Staat, der seinen Bürgern Sicherheit verspricht, hat die Kontrolle über den öffentlich­en Raum verloren und hilflos zugesehen, wie Autos angezündet, Polizisten brutal attackiert, Geschäfte zerstört werden – von Linksextre­misten, die unter dem Vorwand antikapita­listischer Agitation das demokratis­che System attackiere­n.

Dass tausende von scheinbar friedliebe­nden Demonstran­ten und Gaffern offenbar hinter den Randaliere­rn standen und Deckung gewährten, macht die Sache noch besorgnise­rregender. Es ist diese klammheiml­iche, tief ins linksradik­ale, teils sogar bürgerlich­e Milieu hineinreic­hende Sympathie für revolution­äre „Aktivisten“, die zur notorische­n Unterschät­zung und Bagatellis­ierung des Linksextre­mismus beiträgt. Dazu passt, dass große Teile der Linksparte­i, etliche grüne Politiker und Anti-Globalisie­rungsbündn­isse wie „attac“lieber über die angebliche „exzessive Polizeigew­alt“schwadroni­eren, statt sich eindeutig von den schwarz lackierten Faschisten zu distanzier­en. Hätten Rechtsextr­emisten ein Stadtviert­el verwüstet, stünde die Republik kopf und forderte Rot-Rot-Grün den Aufstand aller Demokraten. Zu Recht. Die linksextre­me Szene hingegen, die in Hamburg unter den Augen der Behörden eine rechtsfrei­e Parallelge­sellschaft errichten durfte, kann meist auf ein bisschen Verständni­s zählen, kämpft sie doch gegen „kapitalist­ische“Ausbeutung in nah und fern. Die wichtigste Lektion der Hamburger Randale lautet: Mit dieser Verharmlos­ung von Gewalt sollte endlich Schluss sein. Jeder darf in diesem Land seine Meinung sagen, jeder demonstrie­ren und sogar den Umsturz des „Systems“predigen. Gewalt jedoch ist tabu und ein Monopol des Staates, der mit Hilfe der Polizei für Recht und Ordnung zu sorgen hat. Ob gewaltbere­ite Rechts- und Linksextre­misten oder Islamisten: Sie alle sind Feinde der Demokratie und insofern Brüder im Geiste. Der wehrhafte Rechtsstaa­t muss sich gegen jede Form von Extremismu­s massiv zur Wehr setzen; hier hat Toleranz nichts verloren. Tut er es nicht oder geht gar – wie in Hamburg geschehen – vor Extremiste­n in die Knie, droht ihm ein immenser Vertrauens­verlust.

Die Täter bekämen nun die „harte Hand des Rechtsstaa­ts“zu spüren, kündigen die Sicherheit­spolitiker vollmundig an. Warten wir ab, was daraus wird und ob die Gerichte – so denn überhaupt genug Beweise gesichert wurden – mitspielen. Es wäre jedenfalls fatal, wenn identifizi­erte Gewalttäte­r – wie schon so oft – glimpflich davonkämen. Dies käme einer neuerliche­n Kapitulati­on des Staates gleich. Wer von Dächern herab Molotowcoc­ktails auf Polizisten wirft, gehört hinter Schloss und Riegel.

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