Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die Stadt in Comics
Kunst Nontira Kigle organisierte eine Künstlerwerkstatt mit Illustratoren aus ganz Deutschland. Dabei erfuhr sie, warum Comiczeichnen so schwer ist
Einen griesgrämigen Augsburger Busfahrer zum Lächeln zu bringen ist gar nicht so leicht: nicht mit passendem Kleingeld, nicht mit einer frischen Breze, nicht einmal mit einem Lob für den FCA. Aber dann gibt es doch noch einen Moment, in dem der Busfahrer seinen Grant vergessen kann... Eine Geschichte, wie sie jeden Tag in Augsburg passieren könnte, eine von insgesamt zwölf Episoden, die im Rahmen einer Comicwerkstatt in Augsburg mit Illustratoren aus ganz Deutschland entstanden sind, erzählt die Augsburger Illustratorin Nontira Kigle in ihrem Comic „Mei, ist’s schee in Augsburg!“In einem kleinen Bändchen, erschienen im Wißner Verlag, sind die Comics nun nachzulesen. Einige der Originalzeichnungen sind derzeit in der Galerie Süßkind ausgestellt.
Zusammen mit Lisa Frühbeis, ebenfalls als Illustratorin in Augsburg tätig, hatte Nontira Kigle im vergangenen September die einwö- Werkstatt für Zeichner veranstaltet. „Versunken & Entsprungen“lautete das Motto, und es bezog sich auf die über 2000-jährige Geschichte der Stadt ebenso wie auf die Bewerbung für das UnescoWelterbe zum Thema Wasser. Aber eben auch darauf, dass der Ruhm der einst einflussreichen Stadt mittlerweile ein wenig versunken ist. Zu Unrecht, findet Kigle: „Augsburg hat doch mehr zu bieten als Puppenkiste und Spätzle.“
Mit der Comicwerkstatt griffen Kigle und Frühbeis eine Idee der bekannten Illustratorin Barbara Yelin auf. Die hatte 2014 in München eine Künstlerwerkstatt unter dem Titel „Gestrandet & Verwurzelt“initiiert, die 2015 in Freiburg mit dem Motto „Verweht und Verwachsen“fortgesetzt wurde und nun auch in Augsburg stattfand. Die Comics, welche die 15 teilnehmenden Künstler hier schufen, spielen nicht nur an Augsburger Schauplätzen, sondern setzen die Stadt auch ins Zentrum ihres Erzählens. Durch ein postapokalyptisches Augsburg mit einem zerstörten Hotelturm führt Paul Rietzls dystopischer Comic „Im Frühling“mit schroffen Schwarz-Weiß-Zeichnungen. Bunt auf braunem Papier dagegen Veronika Gruhls Geschichte „Das Echo aus dem Graben“, in der sie die Legende von den „Sieben Kindeln“aufgreift. Mit der Stadtpatronin Afra, genauer mit der jahrhundertelangen männlich geprägten Sicht auf diese Frau hat sich Lisa Frühbeis kritisch auseinandergesetzt. Für Jeff Chi ist der Hinweis auf die immer noch verstrahlten Pilze in Augsburg Anlass, sich in einem Sachcomic mit den Langzeitfolgen der Atomkraft auseinanderzusetzen. Auch Barbara Yelin nahm an der Werkstatt teil, verbrachte eine Woche in Augsburg und hielt ihre Eindrücke von der vom Wasser geprägten Stadt in ausdruckstarken Tuschezeichnungen fest.
Während Yelin preisgekrönt und etabliert ist in der Comic- und Graphic Novel-Szene, steht Nontira Kigle als Comic-Zeichnerin noch am Anfang. Sie arbeitete bisher als Ilchige lustratorin und Grafikerin, entwarf Zeichnungen für die Regio Augsburg oder die Kosmetikfirma Dr. Grandel. „Comics sehen so einfach aus, aber es steckt sehr viel Arbeit dahinter“, hat sie bei der Werkstatt festgestellt. Schließlich müsse man eine Geschichte in Wort und Bild erzählen können. Deshalb war für die 36-Jährige der Austausch mit erfahrenen Comiczeichnern die wichtigste Erfahrung – zu sehen, ob ein Thema interessant ist, ob der Witz ankommt, wie die Handlung entwickelt wird. Während der Werkstattwoche entwarf die Zeichnerin das Storyboard, also den grob gezeichneten Entwurf, zu ihrer Geschichte. Dass ihr Busfahrer am Schluss nicht lauthals zu lachen beginnt, sondern eher in sich hinein kichert, habe sie als Anregung aus der Comicwerkstatt mitgenommen, erzählt Nontira Kigle. O
Wißner Verlag, 12,80 Euro; eine Auswahl der Originalzeichnungen ist bis 31. Juli in der Galerie Süßkind zu sehen