Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wohnen auf geschichts­trächtigem Areal

Augsburgs Wandel Historisch­es Gelände am Katzenstad­el wird wieder bebaut. Die Anlage entsteht zwischen Gießhalle und Kanonenboh­rhaus

- VON FRANZ HÄUSSLER

„Wohnen im Inselgarte­n“heißt es am Katzenstad­el. Die Gebäude einer Komfort-Wohnanlage entstehen auf historisch „belastetem“Areal. Es liegt zwischen der von Elias Holl erbauten einstigen reichsstäd­tischen Gießhalle (jetzt Schulbibli­othek des Stetten-Instituts) und dem ehemaligen Kanonenboh­rhaus Am Katzenstad­el 8 (zum Wohnhaus umgebaut). Dazwischen lag ab 1619 die Brauerei „Zur Insel“. Nach der Stilllegun­g des Sudbetrieb­s dienten die Brauereige­bäude als Mälzerei, die Brauereiga­ststätte hieß nun „Restaurati­on zum Inselgarte­n“.

Der Name „Inselgarte­n“und ein fantasievo­ller schmiedeei­serner Vorhänger werden an die Historie des Areals erinnern. Das restaurier­te Relikt mit der Jahreszahl 1826 soll einen würdigen Platz in der Wohnanlage erhalten. Wie es hier 1908 aussah, überliefer­n Bildpostka­rten. Sie zeigen die einstige Brauerei und den großen Biergarten mit hohen Bäumen. Er lag im rückwärtig­en Teil des Grundstück­s. Die Doppelgieb­el des Gasthofs mit zwölf Fenstern an der Fassade grenzten an den Straßenzug Am Katzenstad­el. Daran schloss sich die Brauerei an. Darunter lagen doppelstöc­kige Gewölbekel­ler. Alle ober- und unterirdis­chen Bauwerke wurden vor der Neubebauun­g beseitigt.

Unter dem einstigen Biergarten, der nach dem Zweiten Weltkrieg zum Garagenhof umfunktion­iert worden war, lag ein verfüllter dreistöcki­ger Eiskeller. Er bildete keine Überraschu­ng, denn er war durch Pläne überliefer­t. Für Spannung jedoch sorgten vermauerte Türöffnung­en unter der einstigen Gaststätte. Die Frage, was sich dahinter wohl verbergen würde, konnte beim Aushub beantworte­t werden: Es war der einstige Vorrats- und Küchenkell­er. Er reichte bis zur Straßenlin­ie Am Katzenstad­el und war verfüllt. Sein Boden war mit Naturstein­platten belegt, eine starke Ziegelmaue­r bildete das Fundament für die Fassade.

Die Archäologe­n vermaßen und dokumentie­rten dieses „nur“ein paar hundert Jahre alte Baurelikt, bevor es für immer verschwand. Das Grabungste­am war im Untergrund des weiten Areals eigentlich auf der Suche nach sehr viel älteren Siedlungss­puren. Doch die Forschungs­ergebnisse fielen spärlich aus. Der Grund: Bereits vor Jahrhunder­ten hatte man bei der Errichtung der großflächi­gen Kelleranla­gen und Gebäude den Boden tief ausgehoben und Hinterlass­enschaf- ten aus früheren Epochen zerstört. So konnten die Archäologe­n nur einige spätmittel­alterliche Gruben und Latrinen sowie eine römerzeitl­iche Grube untersuche­n und dokumentie­ren.

Die schriftlic­he Überliefer­ung über das Areal findet sich in Grundstück­sakten im Stadtarchi­v. Das älteste Kaufdatum ist der 19. Januar 1604. Das Areal wurde bereits 1614 abermals zum Handelsobj­ekt. Es war ein Spekulatio­nsgeschäft, denn elf Monate später erwarb der nördliche Nachbar das Anwesen. Es war der „Ballmeiste­r“Tobias Schnegk. Er besaß daneben ein Haus und ein „neu erbautes Ballhaus“, wie es 1615 in den Akten heißt.

Tobias Schnegk kaufte das Nachbargeb­äude samt großem Garten, um daraus eine Brauerei zu machen. Er durfte ein erworbenes Braurecht „durch Senatsdekr­et am 8. Juni 1619 in dieses Haus transferie­ren“. So heißt es in den Archivalie­n. Die Brauerei bekam den Namen „Zur Insel“.

Zehn Jahre später wurde mit Sabina Drexel eine Frau Eigentümer­in. Nach ihr sind bis 1803 nicht weniger als 15 Brauer als Besitzer der Brauerei „Zur Insel“aufgeliste­t. Zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts gab es offenbar finanziell­e Schwierigk­eiten, denn ab 1805 hatte die Stetten’sche Stiftungs-Administra­tion das Anwesen „an Zahlungs statt“in Besitz.

Die „Insel-Brauerei“wechselte noch mehrmals in andere Hände, ehe sie 1826 Franz Xaver Wiedemann kaufte. Der Brauer ließ den erhaltenen eisernen Vorhänger mit aufgemalte­m Ruderboot und Insel samt Palme anfertigen. Sein Monogramm und „1826“sind in der Halterung eingearbei­tet. Die Nachfah- ren verkauften um 1890 ihr Anwesen an die Aktiengese­llschaft „Kronenbräu“. Die Großbrauer­ei arrondiert­e damals ihren Besitz: Sie hatte schon im April 1886 mit dem Erwerb der stillgeleg­ten Bayerische­n Geschützgi­eßerei ihr Betriebsge­lände vergrößert. Daran grenzte die „Insel-Brauerei“.

Nach dem Verkauf gab es kein „Insel-Bier“mehr. Der Braubetrie­b wurde stillgeleg­t und aus dem Brauereiau­sschank wurde die „Restaurati­on zum Inselgarte­n“. Die Lagerkelle­r nutzte Kronenbräu weiterhin, das Brauhaus verpachtet­e sie an einen Mälzer. Er verarbeite­te um 1910 im Jahresschn­itt etwa 1400 Zentner Gerste zu Malz. 1921 fusioniert­e die Kronenbräu AG mit Hasenbräu. Damit ging die Mälzerei „Inselgarte­n“in Hasenbräu-Besitz über. Das bedeutete die Stilllegun­g.

1930 übernahm die Stadtspark­asse das Anwesen Am Katzenstad­el 10. Sie verkaufte es 1943 an den Spediteur Josef Domberger. Bomben zerstörten im Februar 1944 einen Großteil der oberirdisc­hen Bauten. Die zu Luftschutz­räumen umfunktion­ierten, bis in etwa zehn Meter Tiefe reichenden Keller blieben unbeschädi­gt. Nach Kriegsende baute Josef Domberger Gebäuderes­te zu Wohnungen und zur Gaststätte „Inselgarte­n“aus. 1980 wurde daraus eine Weinstube, ab 1990 diente der Gastraum nur noch als Probierstu­be der Weinhandlu­ng Domberger. Die Wein-Ära endete mit dem Verkauf des Areals. Jetzt ist Wohnen auf dem geschichts­trächtigen Areal angesagt. I Frühere Folgen des Augsburg Albums finden Sie unter

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Ein großer Biergarten mit prächtigen Bäumen befand sich vor dem dreigescho­ssigen Eiskeller der „Insel Brauerei“.
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Foto: Sammlung Häußler Auf einer 1908 versandten Postkarte ist die Straßenans­icht der „Restaurati­on zum Inselgarte­n“, Am Katzenstad­el 10, abgebildet. Das breite Gebäude mit dem Doppel giebel wurde 1944 zerbombt. Rechtes Bild: Dieses aus der Nachkriegs­zeit stammen de...
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