Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wohnen auf geschichtsträchtigem Areal
Augsburgs Wandel Historisches Gelände am Katzenstadel wird wieder bebaut. Die Anlage entsteht zwischen Gießhalle und Kanonenbohrhaus
„Wohnen im Inselgarten“heißt es am Katzenstadel. Die Gebäude einer Komfort-Wohnanlage entstehen auf historisch „belastetem“Areal. Es liegt zwischen der von Elias Holl erbauten einstigen reichsstädtischen Gießhalle (jetzt Schulbibliothek des Stetten-Instituts) und dem ehemaligen Kanonenbohrhaus Am Katzenstadel 8 (zum Wohnhaus umgebaut). Dazwischen lag ab 1619 die Brauerei „Zur Insel“. Nach der Stilllegung des Sudbetriebs dienten die Brauereigebäude als Mälzerei, die Brauereigaststätte hieß nun „Restauration zum Inselgarten“.
Der Name „Inselgarten“und ein fantasievoller schmiedeeiserner Vorhänger werden an die Historie des Areals erinnern. Das restaurierte Relikt mit der Jahreszahl 1826 soll einen würdigen Platz in der Wohnanlage erhalten. Wie es hier 1908 aussah, überliefern Bildpostkarten. Sie zeigen die einstige Brauerei und den großen Biergarten mit hohen Bäumen. Er lag im rückwärtigen Teil des Grundstücks. Die Doppelgiebel des Gasthofs mit zwölf Fenstern an der Fassade grenzten an den Straßenzug Am Katzenstadel. Daran schloss sich die Brauerei an. Darunter lagen doppelstöckige Gewölbekeller. Alle ober- und unterirdischen Bauwerke wurden vor der Neubebauung beseitigt.
Unter dem einstigen Biergarten, der nach dem Zweiten Weltkrieg zum Garagenhof umfunktioniert worden war, lag ein verfüllter dreistöckiger Eiskeller. Er bildete keine Überraschung, denn er war durch Pläne überliefert. Für Spannung jedoch sorgten vermauerte Türöffnungen unter der einstigen Gaststätte. Die Frage, was sich dahinter wohl verbergen würde, konnte beim Aushub beantwortet werden: Es war der einstige Vorrats- und Küchenkeller. Er reichte bis zur Straßenlinie Am Katzenstadel und war verfüllt. Sein Boden war mit Natursteinplatten belegt, eine starke Ziegelmauer bildete das Fundament für die Fassade.
Die Archäologen vermaßen und dokumentierten dieses „nur“ein paar hundert Jahre alte Baurelikt, bevor es für immer verschwand. Das Grabungsteam war im Untergrund des weiten Areals eigentlich auf der Suche nach sehr viel älteren Siedlungsspuren. Doch die Forschungsergebnisse fielen spärlich aus. Der Grund: Bereits vor Jahrhunderten hatte man bei der Errichtung der großflächigen Kelleranlagen und Gebäude den Boden tief ausgehoben und Hinterlassenschaf- ten aus früheren Epochen zerstört. So konnten die Archäologen nur einige spätmittelalterliche Gruben und Latrinen sowie eine römerzeitliche Grube untersuchen und dokumentieren.
Die schriftliche Überlieferung über das Areal findet sich in Grundstücksakten im Stadtarchiv. Das älteste Kaufdatum ist der 19. Januar 1604. Das Areal wurde bereits 1614 abermals zum Handelsobjekt. Es war ein Spekulationsgeschäft, denn elf Monate später erwarb der nördliche Nachbar das Anwesen. Es war der „Ballmeister“Tobias Schnegk. Er besaß daneben ein Haus und ein „neu erbautes Ballhaus“, wie es 1615 in den Akten heißt.
Tobias Schnegk kaufte das Nachbargebäude samt großem Garten, um daraus eine Brauerei zu machen. Er durfte ein erworbenes Braurecht „durch Senatsdekret am 8. Juni 1619 in dieses Haus transferieren“. So heißt es in den Archivalien. Die Brauerei bekam den Namen „Zur Insel“.
Zehn Jahre später wurde mit Sabina Drexel eine Frau Eigentümerin. Nach ihr sind bis 1803 nicht weniger als 15 Brauer als Besitzer der Brauerei „Zur Insel“aufgelistet. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es offenbar finanzielle Schwierigkeiten, denn ab 1805 hatte die Stetten’sche Stiftungs-Administration das Anwesen „an Zahlungs statt“in Besitz.
Die „Insel-Brauerei“wechselte noch mehrmals in andere Hände, ehe sie 1826 Franz Xaver Wiedemann kaufte. Der Brauer ließ den erhaltenen eisernen Vorhänger mit aufgemaltem Ruderboot und Insel samt Palme anfertigen. Sein Monogramm und „1826“sind in der Halterung eingearbeitet. Die Nachfah- ren verkauften um 1890 ihr Anwesen an die Aktiengesellschaft „Kronenbräu“. Die Großbrauerei arrondierte damals ihren Besitz: Sie hatte schon im April 1886 mit dem Erwerb der stillgelegten Bayerischen Geschützgießerei ihr Betriebsgelände vergrößert. Daran grenzte die „Insel-Brauerei“.
Nach dem Verkauf gab es kein „Insel-Bier“mehr. Der Braubetrieb wurde stillgelegt und aus dem Brauereiausschank wurde die „Restauration zum Inselgarten“. Die Lagerkeller nutzte Kronenbräu weiterhin, das Brauhaus verpachtete sie an einen Mälzer. Er verarbeitete um 1910 im Jahresschnitt etwa 1400 Zentner Gerste zu Malz. 1921 fusionierte die Kronenbräu AG mit Hasenbräu. Damit ging die Mälzerei „Inselgarten“in Hasenbräu-Besitz über. Das bedeutete die Stilllegung.
1930 übernahm die Stadtsparkasse das Anwesen Am Katzenstadel 10. Sie verkaufte es 1943 an den Spediteur Josef Domberger. Bomben zerstörten im Februar 1944 einen Großteil der oberirdischen Bauten. Die zu Luftschutzräumen umfunktionierten, bis in etwa zehn Meter Tiefe reichenden Keller blieben unbeschädigt. Nach Kriegsende baute Josef Domberger Gebäudereste zu Wohnungen und zur Gaststätte „Inselgarten“aus. 1980 wurde daraus eine Weinstube, ab 1990 diente der Gastraum nur noch als Probierstube der Weinhandlung Domberger. Die Wein-Ära endete mit dem Verkauf des Areals. Jetzt ist Wohnen auf dem geschichtsträchtigen Areal angesagt. I Frühere Folgen des Augsburg Albums finden Sie unter