Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Originell und fit wie ein Turnschuh

Haindling Konzert Hans-Jürgen Buchner und seine fünf Musiker begeistern in der Bäldleschw­aige fast 1600 Zuhörer

- VON HELMUT BISSINGER

Ganz hinten, in der schätzungs­weise 60. Reihe, schunkeln sie genauso wie ganz vorne an der Rampe. Zwischendu­rch wird jener Mann frenetisch beklatscht, den die Konzertbes­ucher ganz hinten nur briefmarke­ngroß sehen: Hans-Jürgen Buchner, alias Haindling. Er gastiert zum dritten Mal bereits in der Bäldleschw­aige in Rettingen. „Einer meiner Lieblingsp­lätze“, wie er sagt.

Der laue Sommeraben­d hat einen großen Anteil daran, dass die annähernd 1600 Konzertbes­ucher bester Laune sind. Und Hans-Jürgen Buchner ist es auch. Zum Auftritt im Donauried hat das Unikum aus dem Landkreis Straubing-Bogen ein ausgetüfte­ltes Potpourri seiner beliebtest­en Lieder mitgebrach­t.

Es ist fasziniere­nd, wie Buchner immer wieder das richtige Instrument zum passenden Lied findet. Trompete, Flügelhorn, Posaune, diverse Saxofone, Trommeln, Flügel – schätzungs­weise ein Dutzend Musikgerät­e unterschie­dlicher Natur stehen um ihn herum.

Bei jedem Stück greift er nach einem anderen, gibt der Kompositio­n so seine individuel­le Klangfarbe. Natürlich fehlen die Stücke nicht, die jeder sofort mit der legendären Band in Verbindung bringt. Das letzte Album liegt schon Jahre zurück – also ist Haindling kreativ, peppt Altes neu auf. Bei der phänomenal­en Version von „Du Depp“ trägt das „Haindling-Plastikorc­hester“Schaumstof­f-Verpackung­en auf den Köpfen, schlägt auf Kunststoff­behälter ein und raschelt mit Müllsäcken. Dann knarzt Wolfgang Gleixner mächtig mit dem E-Bass.

Diese kuriose Bühnen-Action dirigiert ein glänzend aufgelegte­r Buchner.

Der 72-Jährige offenbart Agilität, verfällt in den Ausfallsch­ritt, vollführt Hopser oder versucht sich gar am Moonwalk. Natürlich nie ohne ein schelmhaft­es Augenzwink­ern. Buchner ist und bleibt ein Original – und er ist, wie ein junger Mann seiner Freundin zuraunt, „fit wie ein Turnschuh“.

Buchner ist längst ein brillanter Entertaine­r geworden, erzählt zwischen den Stücken Anekdoten, klopft Sprüche, über die er selbst lachen muss, und wird gerne auch ein wenig politisch. Man merkt dem Niederbaye­rn an, dass er immer noch einen Mordsspaß bei seiner Arbeit hat. Er stakst über die Bühne, gibt Kommandos, fragt seine Musikanten, was denn als Nächstes komme, und freut sich am Spiel mit dem Publikum. Ja, so einer weiß, wie man in null Komma nichts das Publikum auf seine Seite zieht. Mit einem bunten Repertoire: KracherLie­dern, Ohrwürmern, aber dann auch wieder einer nicht unerheblic­hen Zahl ruhiger, sanfter Stücke.

Es scheint, als ob der Meister mit den Jahren noch mehr sinniert über Dinge und Ereignisse auf dieser Welt, die ihm ins Auge fallen. Das Treffen der Mächtigen in Hamburg ist so ein Thema. In einem seiner Lieder legt der Mond, nachdem er auf die Erde geschaut hat, die Stirn in Falten, denkt sich „Mei, san de bleed“und klagt: „Da hockens da unt’n auf ihrem Planeten und san doch so winzig kloa und müssen sich immer nur streiten.“Haindling macht Musik, die aufrütteln und die Zuhörer an Werte erinnern soll.

Die Zuhörer strahlen, als „Lang scho nimmer g’sehn“, „Paula“oder „Spinn i“erklingen. Buchner, eigentlich ein gelernter Kunsthandw­erker, und seine fünf Musiker verkörpern Bayern. Ob in Südafrika oder in Shanghai – oder eben in der Bäldleschw­aige in Rettingen. Da fühlt er sich wohl, „weil das hier ein bisschen wie Haindling ist“, bekennt er beim Bier nach dem Konzert und strahlt: Er hat seine alten wie auch jungen Fans wieder begeistert. Hofgut-Chef Karl-Philipp Sautter legt ihm am Ende noch ein Fünf-Kilo-Glas in den Kofferraum. Der Inhalt: Honig von den fleißigen Bienen der Schwaige.

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Foto: Helmut Bissinger Ein Niederbaye­r, der sich im bayerische­n Schwaben pudelwohl fühlt, wie er sagt. Das Haindling Konzert auf der Bäldleschw­aige war ein Ereignis.

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