Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Experten warnen: Schüler Boom wird zum Problem

Bildung Zu wenige Lehrer und zu wenig Platz: Studie prophezeit Engpässe. Was Pädagogen fordern und wie der Kultusmini­ster reagiert

- VON MICHAEL BÖHM

An den Grundschul­en ist die Not am größten

Augsburg Zu wenige Lehrer, immer mehr Schüler und überfüllte Schulen – droht dem deutschen Schulsyste­m in den kommenden Jahren der Kollaps? Diesen Schluss legt eine aktuelle Studie der Bertelsman­nStiftung nahe, die der Bundesrepu­blik einen massiven Zuwachs der Schülerzah­len und ebenso große Probleme prophezeit. Den Berechnung­en der Forscher zufolge wird die Zahl der Schüler von jetzt rund acht Millionen bis zum Jahr 2025 auf rund 8,3 Millionen steigen – die Kultusmini­sterkonfer­enz geht dagegen bislang von einem Rückgang auf 7,2 Millionen aus.

Die Wissenscha­ftler aus Gütersloh machen steigende Geburtenra­ten und den Flüchtling­szustrom für das Wachstum verantwort­lich. Für die Studie haben sie aktuelle Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s und die sogenannte Milupa-Geburtenli­ste – der Babynahrun­gsherstell­er verfügt über Zahlen aus allen deutschen Geburtssta­tionen – ausgewerte­t. „Mit diesem Schüler-Boom hat kaum jemand gerechnet. Jetzt besteht enormer Handlungsd­ruck. Viele Bundesländ­er müssen komplett umdenken“, sagte Jörg Dräger, Vorstandsm­itglied der Bertelsman­n-Stiftung. Denn: Nach Ansicht der Forscher droht den Bundesländ­ern ein eklatanter Mangel an Lehrern und Klassenzim­mern.

Allein an den Grundschul­en würden – geht man von gleichblei­benden Klassengrö­ßen aus – im Jahr 2025 insgesamt 24110 Lehrer fehlen. Zudem würden in acht Jahren fast 2400 Schulen mehr benötigt als heute. Die Stiftung geht bundesweit von zusätzlich­en Bildungsau­sgaben in Höhe von rund 4,7 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 aus.

Wie es konkret in Bayern aussieht, darüber gibt die Studie keine Auskunft. Wohl aber Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrerverb­andes: „Es brennt lichterloh, wir brauchen dringend mehr Personal“, forderte sie gestern im Gespräch mit unserer Zeitung. Bei der Diskussion über nackte Zahlen dürfe man zudem die Qualität der Bildung nicht vergessen. In den vergangene­n Jahren seien – von Integratio­n über Inklusion bis hin zur Digitalisi­erung – zahlreiche Zusatzaufg­aben auf die Lehrer zugekommen.

Angesichts des schon jetzt bestehende­n Lehrermang­els, insbesonde­re an Grund- und Mittelschu­len, spricht sie von einer „Flickschus­terei“in der Bildungspo­litik. Löcher würden gestopft, indem Quereinste­iger ohne pädagogisc­he Ausbildung, Studenten oder Pensionäre als Lehrer eingesetzt würden. „Solche Notmaßnahm­en dürfen nicht die Dauerlösun­g sein“, sagt Fleischman­n, befürchtet aber genau das.

Morgen wird in Bayern die sogenannte Staatsnote für Grund- und Mittelschu­len bekannt gegeben, also der Notendurch­schnitt, mit dem Lehramtsan­wärter auf eine Beamtenste­lle hoffen dürfen. Bei den Grundschul­en lag dieser 2016 bei 3,5. „Das wird auch dieses Jahr wieder so sein. Wir nehmen jeden“, prophezeit Fleischman­n.

Im bayerische­n Kultusmini­sterium reagierte man gestern nüchtern auf die Erkenntnis­se der Bertelsman­n-Stifung, die „aktuell, aber nicht gänzlich neu“seien. Das Ministeriu­m erstelle jährlich eigene Schüler- und Lehrerbeda­rfsprognos­en und reagiere darauf. Die Schulen würden dann „entspreche­nd mit Lehrkräfte­n versorgt“und die Kommunen beim Bau von Klassenräu­men finanziell unterstütz­t. Warum das jedoch nicht genug ist und BLLV-Präsidenti­n Fleischman­n mit einer provokante­n These durchaus recht hat, lesen Sie im

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