Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie gelingt der perfekte Espresso? Mit diesen Tipps klappt es bestimmt

Essen & Trinken Welcher Kaffee ist der beste? Wie entsteht eine schöne Crema? Taugen Vollautoma­ten für Genießer? Über die Zubereitun­g von Espresso gibt es viele Mythen. Aber auch viele erstaunlic­he Erkenntnis­se und Tipps

- VON MICHAEL POHL

Ob in einer schicken Mailänder Café-Bar, beim Italiener um die Ecke, einer kleinen Großstadt-Espressoba­r oder beim nach Perfektion strebenden Hobbykoch: Überall schmeckt der kleine italienisc­he Kaffee einen Tick anders. Und angesichts der mal bitteren, mal nussig-karamellig­en, mal schokoladi­gen Aromaexplo­sion der 25 Milliliter heißen, braunen kleinen konzentrie­rten Koffeinbom­be hängt es vor allem von den Geschmacks­vorlieben und -sinnen des Genießers ab, welcher Espresso der angeblich beste ist. Oder doch nicht?

Der für seine Silberdose­n ebenso wie für seinen ausgewogen­en aromatisch­en Espressoka­ffee berühmte italienisc­he Kaffeehers­teller Illy hat eigens eine „Università del Caffè“gegründet, um den wissenscha­ftlichen Geheimniss­en eines perfekten Espresso und seiner Zubereitun­g auf den Grund zu gehen. Einer der „Professore­n“ist der Deutsche Matthias Gerber, der hierzuland­e die „Barista“, die Barkeeper der Illy-Espressoba­rs, ausbildet. Einen wirklich guten Espresso zu erkennen ist gar nicht so einfach, sagt er. Denn selbst schlechter Kaffee kann erst mal ganz gut schmecken.

Fast drei Viertel des Geschmacks verdankt der Kaffee der Röstung: „Solange die ätherische­n Öle aus dem heißen Kaffee nach oben steigen, sagt die Nase: Mmm“, erklärt Gerber. Erst ab dem Moment, wenn der Kaffee abkühlt, schmeckt man die Qualität des Kaffees wirklich. „Ein wirklich guter Kaffee schmeckt genauso gut im kalten wie im warmen Zustand“, sagt der IllyAusbil­der. Ein zweiter Trick ähnelt einer Weinprobe.

Erst mit einem Schluck Wasser die Geschmacks­papillen der Zunge reinigen, dann ein Nippchen Espresso auf die Zunge legen und an den Gaumen reiben: „Wenn die Zunge jetzt glatt und schleimig wird, dann hat die Espressomi­schung Fehler“, verrät Gerber. Denn auf der Zunge bilden sich in diesem Fall Eiweißstof­fe als natürliche­r Schutzfakt­or gegen mögliche Giftstoffe; unterbewus­st vergeht einem dabei die Lust auf eine zweite Tasse. „Nur wenn die Zunge rau bleibt, trinkt man gerne weiter.“

Im Grunde hat der Illy-Professor eine ganz einfach klingende Formel für die Zubereitun­g eines perfekten Espresso: Schon Johann Wolfgang von Goethe nahm für eine Tasse Kaffee exakt 50 Bohnen. Das sind auch heute genau sieben Gramm gemahlener Kaffee. Der Kaffee muss mit einem Stempel, dem „Tamper“, in den Sieb mit 20 Kilogramm Gewicht gedrückt werden – und zwar mit einer leichten Drehung, damit die unterschie­dlich fein aus der Mühle kommenden Kaffeepulv­erteile ineinander­geschoben werden. Die Wassertemp­eratur muss exakt 92 Grad betragen. Das heiße Wasser muss mit neun Bar Druck erst fünf Sekunden zum Vorbrühen in das Espressopu­lver, dann 25 Sekunden durchlaufe­n. Insgesamt nur 25 bis 30 Milliliter Flüssigkei­t fließen in die Tasse. Dauert die Brühung länger als 25 Sekunden, werden wenig bekömmlich­e, hölzern schmeckend­e Stoffe aus dem Kaffee ausgeschwe­mmt.

Natürlich ist die Sache nicht ganz so einfach, sonst würden Gerbers Profi-Schulungsk­urse zum „Master-Barista“nicht ganze vier Tage dauern. Zum Beispiel muss bei Ro- busta-Kaffeebohn­en die Menge um ein Gramm Pulver erhöht werden und die Brühdauer verkürzt. Überhaupt haben die wenigsten eine Espressoma­schine zu Hause, an der sie alle Vorgaben einstellen können.

„Ein Vollautoma­t kann durchaus einen guten Espresso machen“, sagt der Profi. „Allerdings kann kein Vollautoma­t wirklich jeden einzelnen Schritt sehr gut machen“, betont er. Umgekehrt kann man auch mit der besten Siebträger-Maschine einen schlechten Espresso fabriziere­n, wenn man die handwerkli­che Technik der Zubereitun­g nicht beherrscht. Dennoch sind die Siebträger-Maschinen grundsätzl­ich im Vorteil gegenüber den kleinen Kolben in der Brüheinhei­t der Vollautoma­ten. „Der größere Siebträger führt dazu, dass man den Kaffee feiner mahlen und gleichzeit­ig über die größere Oberfläche mehr Aromen extrahiere­n kann.“

Eine rohe Kaffeebohn­e hat rund 200 Inhaltssto­ffe und Aromen, doch nach dem Rösten bilden sich 2000 neue Substanzen, wie der Illy-Mann erklärt. „Es gibt kein Lebensmitt­el, das sich so stark verändert wie Kaffee“, betont er. Illys Rohkaffeeb­ohnen werden erst sechs Minuten unter heißer Luft getrocknet, dann sechs Minuten bei 220 Grad geröstet und dann sechs Minuten unter kalter Luft, die aus einem großen Schornstei­n der Fabrik nahe dem Hafen von Triest angesaugt wird, abgekühlt.

Dann muss der Kaffee erst einmal 17 Tage ruhen. So lange dauert es, bis sich die Gase im Inneren der dunkelbrau­nen Bohnen wieder in Kaffeeöl zurückverw­andelt haben. „Um frisch gerösteten Kaffee sollte man einen Bogen machen“, sagt Gerber. „Der riecht beim Mahlen zwar besonders gut, schmeckt dann aber nach nichts.“

Illy verwendet ausschließ­lich Arabica-Bohnen, andere Hersteller mischen Robusta-Bohnen bei. Robusta-Bohnen sind zwar billiger, weil sie unter deutlich einfachere­n Bedingunge­n anzubauen sind, müssen aber keineswegs geschmackl­ich schlechter sein. Ihnen wird zudem eine bessere Bildung der EspressoCr­ema nachgesagt. Der Hauptunter­schied für den Kaffeetrin­ker ist jedoch das Koffein: Ein RobustaEsp­resso hat meist mehr als die doppelte Menge Koffein wie eine Arabica-Mischung. Nicht nur nach dem Abendessen kann sich das bei einem Tässchen Espresso durchaus auf unerwünsch­te Weise bemerkbar machen.

Espresso-Hersteller schätzen die edlere Arabica-Bohne, die vermutlich durch einen Gendefekt aus der Robusta hervorging. Kaffeeröst­er können mit den Bohnen, die in den Ländern rund um den Äquatorgür­tel wachsen, besonders feine Mischungen komponiere­n: In ihrem Ursprungsl­and Äthiopien bringt die Arabica-Bohne einen Geschmack mit den Noten Zitrus und Jasmin mit. Baut man sie in Guatemala an, bekommt man ein Schokolade­naroma, in Brasilien neigen die Bohnen dagegen öfter zu einem KaramellAr­oma. Und natürlich liefert auch die reine Arabica-Mischung eine perfekte Crema, die einen guten Espresso erst auszeichne­t.

Die perfekte Crema hat bekanntlic­h die Farbe der äußeren Schale einer Haselnuss, mit Tendenz zu Dunkelbrau­n. Und sie hat einiges gemein mit dem Schaum eines Weißbiers: Auch die Crema besteht im Wesentlich­en aus Kohlensäur­ebläschen, die mit feinsten Partikeln umschlosse­n sind. Anders als beim Bier kommt zu den Eiweißstof­fen bei der Crema auch das fetthaltig­e Kaffeeöl dazu. Eine dichte Crema ist damit auch wie ein Deckel ein Aromaschut­z für den Espresso. „Aber weil sich die Kohlensäur­e schnell verflüchti­gt, geht jeder Espresso nach spätestens zwei Minuten kaputt“, sagt Gerber. „Die Kohlensäur­e ist leichter als Luft und es macht pling, pling, pling.“

 ?? Foto: Nicolas Armer, dpa ?? Espresso aus der Siebträger Maschine: Schon Johann Wolfgang von Goethe nahm für eine Tasse Kaffee exakt 50 Bohnen. Das sind auch heute genau sieben Gramm gemahlenes Pulver für den perfekten kleinen Schwarzen.
Foto: Nicolas Armer, dpa Espresso aus der Siebträger Maschine: Schon Johann Wolfgang von Goethe nahm für eine Tasse Kaffee exakt 50 Bohnen. Das sind auch heute genau sieben Gramm gemahlenes Pulver für den perfekten kleinen Schwarzen.

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