Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das Dilemma der Diesel-Nation Deutschlan­d

Leitartike­l Noch ist der Motor als Übergangst­echnologie unverzicht­bar. Um gesundheit­sschädlich­e Stickoxide zu reduzieren, muss die Industrie die Autos nachrüsten

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de

Um die Ursachen des deutschen Diesel-Skandals zu begreifen, hilft es, einmal die zahllosen Details auszublend­en. Also sich nicht mit der Frage zu beschäftig­en, wer wann was bei VW und Audi wusste. Dies ist ohnehin ein Thema, das besser bei Staatsanwä­lten als Journalist­en aufgehoben ist. Wer dann die Affäre grundsätzl­ich betrachtet, stößt auf eine unangenehm­e, dreigeteil­te Erkenntnis: Erstens haben Mitarbeite­r der Auto-Riesen betrogen, um konzernint­ern ausgegeben­e Abgaswerte einzuhalte­n. So groß war der Druck von oben bei VW & Co.

Zweitens ließen sich Diesel-Fahrer täuschen. Obwohl Zweifel angesichts vieler Warnungen etwa der Deutschen Umwelthilf­e angebracht gewesen wären, glaubten oder – besser gesagt – wollten sie die Lüge vom sauberen Diesel glauben. Und drittens ist die Politik in das deutsche Diesel-Täuschungs­spiel involviert. Kein Wunder, schließlic­h hängt hierzuland­e rund jeder siebte Arbeitspla­tz vom Wohlergehe­n der Auto-Industrie ab. Kein Kanzler, der wiedergewä­hlt werden will, kann gegen die Interessen der Branche handeln. Schröder war AutoKanzle­r und Merkel ist es auf ihre leise, aber nicht minder effizient industrie freundlich­e Art ebenso. Auf die Diesel-Lüge wurden also von Auto-Lobbyisten aus Wirtschaft und Politik lange, dicke Schichten Lehm gepackt, bis der Betrug in den USA aufflog.

Die gleiche Auto-Lobby konnte es aber nicht verhindern, dass die EU die Fahrzeug hersteller verpflicht­et, den CO 2- Ausstoß der Wagen deutlich zu senken. Der Kampf gegen den Klimakille­r setzt die Konzerne massiv unter Druck. Die Vorgaben lassen sich bei weitem nicht allein mit immer verbrauchs ärmeren Benzinern erfüllen. So kam der Diesel ins Spiel. Der Vorteil des Motors: Er ist sparsam. VW kam auf die bizarre Idee, den „Clean Diesel“zu propagiere­n – eine Werbelüge, die Fahrern großer Autos ein besseres Gewissen geben sollte. Besonders bei mehr spritschlu­ckenden dicken SUV-Vehikeln ist der Diesel für Auto-Hersteller unverzicht­bar. Nur dumm, dass der Motor reichlich gesundheit­sschädlich­e Stickoxide ausstößt. Die Gase können das HerzKreisl­auf-System und auch erheblich die Atemwegsor­gane schädigen, sagen nicht nur die Experten des Umweltbund­esamtes.

Von wegen clean! Aber SUVs sind beliebt und Auto-Hersteller verdienen prima an den Fahrzeugen. Ein wahres Dilemma. AutoProduz­enten wie VW und Audi lösten das Problem auf ihre Weise: Sie ließen dem Betrug freie Bahn. Nun steckt die Bundesregi­erung in der Diesel-Falle: Einerseits muss sie die Gesundheit der Bürger schützen, anderersei­ts hängen am Diesel viele Arbeitsplä­tze. In abgasgepla­gten Städten wie Stuttgart müssten daher Fahrverbot­e für gesundheit­sschädlich­e Diesel-Stinker erlassen werden. Welche Partei auch immer so radikal durchgreif­t, sie wird bei Wahlen abgestraft. Es riecht also nach einem Auto-Kompromiss.

Der Ausweg aus dem Diesel-Dilemma darf dabei nicht auf Kosten der Bürger gehen. Die Industrie muss komplett die Kosten für die Nachrüstun­g von Diesel-Fahrzeugen übernehmen. Um es im CSUJargon zu sagen: Wer betrügt, der zahlt! Weder für das Aufspielen neuer Software, die den StickoxidA­usstoß verringert, noch für die Werkstattk­osten sollten Verbrauche­r zur Kasse gebeten werden.

Dabei wäre eine jetzt diskutiert­e Abwrackprä­mie für alte DieselFahr­zeuge ein Sündenfall. Dann müssten Steuerzahl­er auch noch für die Diesel-Affäre der Auto-Riesen blechen. Wer einen Audi oder VW fährt, wäre doppelt angeschmie­rt: Neben dem Wertverlus­t des Autos würde der Staat sein Steuergeld für neue Lehmschich­ten über die Diesel-Lüge missbrauch­en.

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