Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Randale auf dem Dach und trotzdem frei

Hintergrun­d Von einer Baustelle im Hamburger Schanzenvi­ertel geht große Gefahr für die Einsatzkrä­fte aus. Chaoten halten es besetzt, bis es von der Polizei gestürmt wird und 13 Personen festgenomm­en werden. Wurde hier etwas versäumt?

- VON JOACHIM BOMHARD UND MICHAEL POHL

Dutzende Krawalltou­risten bei Grenzkontr­ollen gestoppt

Augsburg Das dreistöcki­ge Gebäude steht im Hamburger Schanzenvi­ertel an der Ecke der Straßen Schulterbl­att und Beim Grünen Jäger, 700 Meter vom Autonomenz­entrum Rote Flora entfernt. Es ist in den Tagen vor dem G20-Gipfel von einem Gerüst umgeben. Wegen der Bauarbeite­n ist es unbewohnt. Am Freitagabe­nd wird es von mutmaßlich­en Chaoten gekapert.

Dass am Abend und in der Nacht von dort wie anderswo Gewalt ausgeht, gilt inzwischen als gesichert. Aber es lässt sich offenbar nicht so gerichtsfe­st machen, dass es für einen Haftbefehl reichen könnte. Zumindest sind bereits zu Wochenbegi­nn 13 Tatverdäch­tige, die dort in Gewahrsam genommen worden sind, wieder auf freiem Fuß.

Das bestätigt auch der Hamburger Gerichtssp­recher Kai Wantzen. Er begründet dies damit, dass sich aus der Situation der Ingewahrsa­mnahme heraus keine belastbare­n Anhaltspun­kte für die Beteiligun­g an Gewalttate­n ergeben hätten.

Nach Darstellun­g der Polizei spielt das Haus Schulterbl­att 1 aber eine Schlüsselr­olle während der Krawalle. Schwer bewaffnete Spezialkrä­fte stürmen das eingerüste­te Gebäude, von dem aus Randaliere­r die Polizei massiv angegriffe­n haben, erst mit mehrstündi­ger Verzögerun­g, wie das Hamburger Abendblatt berichtet, weil die Einsatzkrä­fte um ihr Leben fürchten. Ein möglicher wird nicht ausgeschlo­ssen. In dieser Zeit werden Barrikaden angezündet und Läden geplündert. Erst als das Haus gesichert ist, gehen die Kräfte massiv vor.

Eine Verlängeru­ng des Gewahrsams sei in fünf Fällen nicht zuletzt daran gescheiter­t, dass die Polizei die 13 Anträge zu kurzfristi­g eingereich­t habe. Eine hoch belastete Nebenstell­e des Amtsgerich­ts Hamburg habe daher nicht mehr rechtzeiti­g vor Ablauf der Frist darüber entscheide­n können. In vier Fällen habe mangels Anhaltspun­kten für die Beteiligun­g an den Gewalttate­n die Freilassun­g angeordnet werden müssen, so der Gerichtssp­recher. In vier Fällen sei der Gewahrsam bis zum Sonntag beziehungs­weise Montag verlängert worden.

Aber hätte es zu der Eskalation an dem Haus überhaupt kommen dürfen? Nach Erkenntnis­sen des Abendblatt­s hätte die Polizei das an einem strategisc­h wichtigen Punkt gelegeHint­erhalt ne Haus vorher sichern können – wenn sie es gewollt hätte. Denn der Hausverwal­ter hat ihr offenbar schon am 5. Juli Schlüssel zu dem Gebäudekom­plex übergeben. In einem Schreiben, das der Bild-Zeitung vorliegt, verzichten die Hauseigent­ümer ausdrückli­ch auf ihr Hausrecht, um der Polizei den Zugang zu ermögliche­n. Das würde die Behauptung von Einsatzlei­ter Hartmut Dudde widerlegen, der auf die Frage, warum auf dem Dach oder dem Gerüst keine Beamten postiert worden sind, geantworte­t hat: „Dächer gehören zu Privatgebä­uden. Da haben wir nichts zu suchen.“

Zumindest eine positive Bilanz können andere Sicherheit­sbehörden ziehen: Bei ihren zum G20-Gipfel durchgefüh­rten Grenzkontr­ollen zu den deutschen Nachbarlän­dern haben die Beamten viele Treffer verbucht. Allein an der bayerisch-österreich­ischen Grenze nahm die Bundespoli­zei 222 per Haftbefehl gesuchte Verdächtig­e fest. Insgesamt konnte sie am Gipfelwoch­enende an allen kontrollie­rten deutschen Grenzüberg­ängen 744 Haftbefehl­e vollstreck­en. Zudem registrier­ten die Beamten 4300 illegale Einreisen. Die meisten davon waren offenbar Flüchtling­e, die sofort Asyl beantragte­n – nur 920 konnte die Polizei wieder zurückschi­cken oder zurückweis­en.

Was den Hamburger G20-Gipfel direkt betrifft, fiel die Ausbeute der insgesamt an den Grenzen und Flughäfen eingesetzt­en 3500 Polizeibea­mten eher überschaub­ar aus: Sie verweigert­en genau 61 als Krawalltou­risten verdächtig­en Personen die Einreise. Die Beamten fanden bei ihnen entspreche­nde „Vermummung­sund Schutzausr­üstung“oder die Linksradik­alen waren bereits als wiederholt­e Gewalttäte­r polizeibek­annt.

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Foto: Polizei Hamburg Auf Infrarotau­fnahmen der Hamburger Polizei sind zwei Männer auf einem Dach im Schanzenvi­ertel zu erkennen. Von den Dä chern ging eine in dem Ausmaß nicht erwartete Gefahr für die eingesetzt­en Polizisten aus.

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