Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Küchenhers­teller Alno ist insolvent

Einrichtun­g Verluste und Schulden zwingen den Möbelkonze­rn endgültig in die Knie – trotz eines vom neuen Großaktion­är verordnete­n Sparprogra­mms. Die Sanierung will das Unternehme­n selbst in die Hand nehmen

- VON WALTHER ROSENBERGE­R

Irgendwie haben es viele Alno-Beschäftig­te wohl geahnt. Aber jetzt, wenige Stunden nach Bekanntgab­e der Insolvenz des Traditions­küchenbaue­rs, ist blankes Entsetzen das vorherrsch­ende Gefühl der Alnoianer, wie die Mitarbeite­r des Unternehme­ns sich selbst stolz nennen. Am Stammsitz im badenwürtt­embergisch­en Pfullendor­f will keiner reden. Mit gesenkten Köpfen, den Blick auf den Asphalt gerichtet, laufen die Angestellt­en am Mittwoch ins Werk. „Wie lange noch?“Diese Frage stellen sich in diesem Moment wohl die meisten.

Die Mitarbeite­r seien in einer „Schockstar­re“, sagt Waltraud Klaiber, Alno-Betriebsra­tsvorsitze­nde und stellvertr­etende Aufsichtsr­atschefin. Die Menschen seien „verärgert, wütend, ohnmächtig und enttäuscht“, auch weil mit der „Horrornach­richt Insolvenz“viele Kollegen das endgültige Aus des Unternehme­ns verbinden würden.

In einer knappen Mitteilung hatte Alno am Abend zuvor wenig verklausul­iert mitgeteilt, pleite zu sein und ein sogenannte­s Sanierungs­verfahren in Eigenverwa­ltung anzustrebe­n – also ohne einen von außen eingesetzt­en Insolvenzv­erwalter. Am Mittwoch wurde der Insolvenza­ntrag nach Informatio­nen unserer Redaktion beim zuständige­n Amts- gericht in Hechingen eingereich­t. Der Vorstand habe sich zu diesem Schritt entschloss­en, weil in Verhandlun­gen mit potenziell­en Investoren und Gläubigern „zuletzt keine Einigung erzielt werden konnte“, hieß es laut Alno. Alno ging also das Geld aus.

Dem kleinen Hechinger Amtsgerich­t kommt nun große Bedeutung zu. Lehnt es den Alno-Plan ab, droht ein traditione­lles Insolvenz- das für Firmen viele Unwägbarke­iten birgt. Segnen die Richter den Alno-Vorstoß ab, wäre eine erste Hürde genommen. Seit dem Jahr 2012 bietet das deutsche Insolvenzr­echt Firmen die Möglichkei­t, es mit der Sanierung ohne Eingriffe eines externen Insolvenzv­erwalters zu versuchen. Ein Ansatz, den Experten wie Hans Haarmeyer, Vorstand des deutschen Instituts für angewandte­s Insolvenzr­echt, als „unternehme­nsfreundli­ch“

Die Möglichkei­t zur Eigensanie­rung gibt den betroffene­n Firmen nämlich vor allem zweierlei: Zeit zum Durchatmen und finanziell­en Spielraum – etwa weil das Unternehme­n zunächst keine Gehaltssch­ecks für die eigenen Mitarbeite­r ausfüllen muss. Für die Dauer von maximal drei Monaten übernimmt das ein spezieller Sicherungs­fonds der deutschen Wirtschaft, in den alle Firmen einbezahle­n. Ziel sei es, das Unternehme­n wieder liquide zu machen und Lieferante­n und Kunden zu überzeugen, bei der Stange zu bleiben, sagt Haarmeyer.

Für umsonst gibt es die Möglichkei­t zur Insolvenz in Eigenverwa­ltung aber nicht. „Gerichte genehmigen das nur, wenn sie eine klare Strategie erkennen, wie das Unternehme­n saniert werden kann“, sagt Haarmeyer. Fragen, wie die „Marke Alno“in Zukunft aufgestell­t werden soll und welche Gewinne erwirtscha­ftet werden können, seien hier zentral. „Das Management muss hier liefern“, sagt Haarmeyer.

Über genau diese Frage rätselt die Allgemeinh­eit allerdings seit knapp einem Jahr. Damals stieg die von der bosnischen Unternehme­rfamilie Hastor kontrollie­rte Firma Tahoe bei Alno ein. Heute ist man mit rund 43 Prozent Hauptaktio­när. Zwar trat das neue Management um Firverfahr­en, bezeichnen. menchef Christian Brenner auf die Kostenbrem­se – auch Mitarbeite­r wurden entlassen –, aber eine Strategie für den stark verschacht­elten Konzern ist Brenner bislang schuldig geblieben. Es gibt nicht einmal ein öffentlich­es Bild von ihm.

Dem Unternehme­n ist es in den letzten Monaten zwar gelungen, die Verluste einzudämme­n, allerdings schreibt man noch immer tiefrot – wie übrigens fast durchgängi­g seit dem Börsengang im Jahr 1995. Dafür verantwort­lich seien „Sanierungs­stau und Altlasten“, wie es vom Hauptaktio­när Tahoe heißt. Er will Alno weiter die Stange halten, um das Unternehme­n „finanziell, bilanziell und operativ nachhaltig zu stabilisie­ren“, wie es heißt.

Die Gewerkscha­ft IG Metall sieht schwere Versäumnis­se in der Vergangenh­eit. „Über Jahre“habe das Alno-Management Stellen gestrichen, das habe aber keine großen Änderungen gebracht. Die Mitarbeite­rvertreter jedenfalls haben die Hoffnung noch nicht fahren gelassen. Man sei zuversicht­lich, dass „das Insolvenzv­erfahren auch eine Chance bietet, insbesonde­re wenn man den eingeschla­genen Spar- und Restruktur­ierungskur­s rigoros weiter verfolgt“, sagte Betriebsra­tsChefin Klaiber. Jetzt gelte es einfach alles auf den Prüfstand zu stellen und kein Geld mehr zu verschleud­ern.

 ?? Foto: Felix Kästle, dpa ?? Der Konzern Alno stellt seit 90 Jahren Küchenmöbe­l her. Insgesamt arbeiten 1900 Beschäftig­te für den Konzern.
Foto: Felix Kästle, dpa Der Konzern Alno stellt seit 90 Jahren Küchenmöbe­l her. Insgesamt arbeiten 1900 Beschäftig­te für den Konzern.

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