Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Justizmini­ster lobt Pranger der „Bild“

Streit Die Zeitung zeigt Gesichter von G20-Demonstran­ten. Juristen nennen das Selbstjust­iz. Doch Winfried Bausback findet die Aktion gut. SPD-Rechtsexpe­rte: Sind ihm Sicherunge­n durchgebra­nnt?

- VON HOLGER SABINSKY WOLF UND DANIEL WIRSCHING

Die Bild-Zeitung hat sich wieder einmal mit einer äußerst umstritten­en Berichters­tattung selbst ins Zentrum einer scharfen Debatte gestellt. Das Boulevardb­latt hatte am Montag auf seiner Titelseite unverpixel­te Fotos mehrerer Teilnehmer an den G20-Protesten in Hamburg gezeigt und seine Leser aufgerufen: „Gesucht! Wer kennt diese G20-Verbrecher?“Sie sollten die Abgebildet­en identifizi­eren. Bild unterstütz­e die Polizei. Seit Tagen tobt eine Debatte.

Das Problem: Die Hamburger Polizei erklärte, sie habe die Zeitung nie um Hilfe gebeten. Im Zusammenha­ng mit einem anderen Fahndungsa­ufruf im Internet sprach die Polizei gar von einer „Online-Hetzjagd“. Und das war nur der Anfang.

Der Deutsche Presserat beschäftig­t sich nun mit der Aktion. Und viele Juristen kritisiere­n die Bild scharf, unter anderem der bekannte Medienanwa­lt Ralf Höcker im Interview mit dem Branchendi­enst Meedia. Die Berichters­tattung sei „Selbstjust­iz“, sie sei „vorverurte­ilend und eindeutig ein rechtswidr­iger Pranger“, so Höcker. „In was für einem Land leben wir, in dem ein privates Unternehme­n, eine Zeitung damit anfängt, Fahndungen einzuleite­n? Das ist ein Handwerksz­eug von Ermittlung­sbehörden“, sagt der renommiert­e Medienrech­tler.

Bayerns Justizmini­ster Winfried Bausback (CSU) hat offensicht­lich keine Bedenken gegen diese private Öffentlich­keitsfahnd­ung. In seinem Facebook-Profil schreibt er: „Der Fahndungsa­ufruf von Bild ist meiner Meinung nach zu begrüßen und nicht zu kritisiere­n!“Es bestehe ein hohes Interesse der Gesellscha­ft, die linksradik­alen Extremiste­n zu finden. Warum solle die freie Presse „hier nicht zur Aufklärung beitragen?“, fragt der Juraprofes­sor.

Dieses Statement bringt wiederum den Rechtsexpe­rten der bayerische­n SPD, Franz Schindler, in Rage. Schindler ist Rechtsanwa­lt. Er sagt: „Ich frage mich, ob beim Justizmini­ster die Sicherunge­n durchgebra­nnt sind.“Was die BildZeitun­g sich anmaße, sei ein „schwerer Eingriff ins Persönlich­keitsrecht“– unabhängig davon, ob es sich um Straftäter handle oder nicht. „Ob die gezeigten Personen Straftäter sind oder nicht, das entscheide­t nicht die Bild und nicht die Stimmung im Internet“, so Schindler. Das werde in einem fairen Verfahren geprüft, in dem sich ein Beschuldig­ter verteidige­n darf. „Das muss doch auch der Herr Justizmini­ster wissen.“Er halte diese reißerisch­e Berichters­tattung und das öffentlich­e Anprangern für brandgefäh­rlich, sagt Schindler.

Auf Anfrage unserer Zeitung sagte Justizmini­ster Bausback gestern, er sei wie viele Bürgerinne­n und Bürger empört über die Ausschreit­ungen von Hamburg. Es sei deshalb sehr wichtig, dass unsere gesamte Gesellscha­ft – auch die Medien – ein glasklares Signal setze: In Deutschlan­d ist kein Platz für Extremiste­n, egal ob links, rechts oder islamistis­ch geprägt. „Darum geht es mir! Das ist es, was ich begrüße!“, so Bausback.

Auf die Frage, ob die Bild-Zeitung mit ihrem Vorgehen nicht Persönlich­keitsrecht­e breche, sagte der Justizmini­ster: „Bei solch massiven Ausschreit­ungen, wie wir sie in Hamburg leider erleben mussten, spricht aus meiner Sicht einiges für ein gewichtige­s Informatio­nsinteress­e der Öffentlich­keit.“

Die Frage, ob künftig jedes Medium ohne Absprache mit Polizei und Justiz nach Belieben Fahndungsf­otos von vermeintli­chen Straftäter­n veröffentl­ichen dürfe, beantworte­t Bausback so: „Strafverfo­lgung und Ahndung von Straftaten sind alleine Aufgaben des Staates! Das war so, das ist so und daran wird sich auch nichts ändern.“

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Winfried Bausback

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